Business Lunch mit Ruland Engineering über die Herstellung alternativer Proteine

Vier Gänge mit fünf Fragen: Manfred Stroick, Serviceleiter, und Jürgen Schütze, Vertrieb, im Interview

Manfred Stroick und Jürgen Schütze von Ruland Engineering

Alternative Proteine bieten eine nachhaltige Lösung für die steigende Nachfrage nach Nahrungsmitteln, indem sie Quellen wie Pflanzen, Insekten oder Mikroorganismen nutzen. Die Vielfalt alternativer Proteinquellen ermöglicht es, unterschiedliche Ernährungsbedürfnisse zu erfüllen und neue Lebensmittel zu entwickeln. Auch der Anlagenbauer Ruland Engineering sieht eine wachsende Relevanz in der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie. Im exklusiven Business Lunch-Interview erläutern Serviceleiter Manfred Stroick und Vertriebsmann Jürgen Schütze, welche Besonderheiten beim Anlagenbau für die Herstellung alternativer Proteine zu beachten sind und dass die Automatisierung immer mehr an Bedeutung gewinnt. Außerdem geben sie einen ersten Ausblick auf das Schwerpunktthema auf der Anuga Foodtec und erzählen, wie Ruland vor 24 Jahren startete - eine echte „Aus der Garage in die Welt"-Geschichte!

1. Amuse-Gueule: Die Nachfrage der Verbraucher nach veganen Alternativen zu tierischen Proteinen steigt. Wie äußert sich dieser Trend in Gesprächen mit Ihren Kunden, den Lebensmittel- und Getränkeherstellern?

Stroick: Das Thema der alternativen Proteingewinnung wird für unsere Kunden seit einigen Jahren immer relevanter. Denn immer mehr Verbraucher setzen auf eine pflanzliche Ernährung und der Mensch braucht Proteine. Deshalb bekommen wir vermehrt Anfragen für Produktionsanlagen für alternative Proteine. Wir werden von Start-up-Unternehmen kontaktiert, die Ideen für ungewöhnliche Produkte haben. Aber auch große Industriekunden kommen auf uns zu, weil sie zum Beispiel auf einen Fermentationsprozess umstellen wollen. Hier können wir unser Know-how aus unterschiedlichen Branchen einbringen. Ruland kommt ursprünglich aus dem Anwendungsbereich Fruchtsaft: einfache Saft-Verarbeitung, kleine Pasteur- und Entgasungs-Anlagen. Wären wir dabei geblieben, gäbe es das Unternehmen wahrscheinlich nicht mehr. Mit unseren maßgeschneiderten Lösungen für die jeweilige Anwendung unterstützen wir heute Hersteller bei der Entwicklung ihrer Produkte vom Labormaßstab bis hin zur industriellen Großproduktion. Um kurz aus dem Nähkästchen der besonderen Projekte plaudern zu dürfen: Durch unsere langjährige Erfahrung konnten wir für einen Kunden eine Anlage entwickeln, die Bienenprodukte aller Art verarbeitet. Ein anderes Beispiel ist eine Anlage für einen Hersteller aus Süddeutschland, der vegane Produkte wie Quarkersatz oder Käsealternativen aus Mandelmilch herstellt. Für beide Anwendungen gab es keine vorgegebenen Herstellungsprozesse im größeren Maßstab. Wir haben unser Wissen eingesetzt und konnten entsprechende Unikate bauen, die es so nicht noch einmal gibt.

Schütze: Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich bei einigen unserer Kunden die Geschäftsfelder verschieben. Waren sie beispielsweise früher ausschließlich im Getränkesektor vertreten, orientieren sie sich jetzt auch in Richtung Biotechnologie. Die reine Branchenfokussierung wird aufgebrochen. Es entstehen Grauzonen zwischen Food, Biotechnologie und Pharma. Wir erhalten immer häufiger solche Anfragen und sehen in diesen neuen Märkten auch große Chancen - für unsere Kunden und uns.

2. Vorspeise: Wenn die Lebensmittelindustrie neue Proteinquellen erschließt, müssen dann auch die Produktionsprozesse angepasst werden?

Stroick: Ruland hatte schon Projekte mit Proteinen aus Rinderhäuten, aus Soja, aus Mandeln. Kunden kommen immer wieder mit interessanten Ideen. Die Verarbeitungsprozesse, die dahinter stehen, müssen jedes Mal angepasst werden. Leider lassen sich Anlagen nie eins zu eins kopieren. Gemeinsam mit dem Kunden analysieren wir die notwendigen Prozessschritte. Daraus entwickeln wir ein industrielles Verfahren und bauen die passende Anlage.

Läuft das viel über das Prinzip „Trial and Error“?

Stroick: Ein bisschen schon, die Grundzüge kann man anpassen. Manchmal testet man die neuen Proteine auch in der heimischen Küche, um zu sehen, wie sie sich verhalten. Wir haben alle Qualifikationen im Haus, von Lebensmittel- und Fruchtsafttechnologen bis hin zu Maschinenbauingenieuren und Verfahrenstechnikern.

Schütze: Ich glaube, es ist ein Vorteil, dass wir auch sehr kleine Anlagen entwickeln und bauen. So können wir unseren Kunden für die Produktentwicklungsphase Fermenter oder Bioreaktoren im Labormaßstab mit einem Fassungsvermögen von 20 bis 50 Liter für die erste Phase installieren. Und wenn sich das Verfahren bewährt, wird die Anlage hochskaliert. Die größten Behälter der Fermenterkaskaden haben je nach Art der Fermentation ein Fassungsvermögen von 100.000 bis 1,5 Millionen Liter, wenn eine industrielle Großproduktion angestrebt wird. Es gibt aber auch Fälle, in denen das Scale-up nicht so einfach durchführen lässt, weil sich das Produkt im größeren Produktionsmaßstab anders verhält als im Labor. Hier können wir mit unseren Erfahrungen aus anderen Branchen helfen, wie das Hochskalieren doch noch funktioniert.

3. Zwischengang: Wirtschaftlichkeit spielt in wachstumsschwachen Zeiten eine große Rolle. Wie kann Ruland hier mit seinen Lösungen im Anlagenbau neue industrielle Prozesse effizient vorantreiben?

Stroick: Aktuell äußern Kunden den Wunsch, ihre bestehenden Anlagen energetisch aufzuwerten, um den Verbrauch von Dampf, Strom, Gas, Wasser deutlich zu reduzieren. Wir erarbeiten Lösungen, um Abwärme zu nutzen, Dampftemperaturen zu senken. Dann ist es auch immer wichtig zu prüfen, ob es versteckte Leckagen gibt, zum Beispiel bei Druckluft oder Kondensat. Außerdem ist es natürlich entscheidend, dass sich die Veränderungen schnell amortisieren. Manche Kunden denken auch darüber nach, den Dampfverbrauch zu senken, indem sie große Wärmepumpen installieren, die die Abwärme der Anlagen nutzen. So müssen nur noch die letzten 20 bis 30 Grad Celsius aufgeheizt werden.

Schütze: In diesem Zusammenhang sind die Anlagenbetreiber auch nicht mehr so großzügig mit der bewussten Überschreitung von Werten. Wenn zum Beispiel für einen Pasteurisierungsprozess 98 Grad Celsius erreicht werden müssen, sind Kunden früher mit 102 Grad Celsius auf Nummer sicher gegangen. Bei dem Bestreben, Energie einzusparen, damit Kosten zu senken und auch den CO2-Fußabdruck zu verkleinern, helfen unsere Anlagen mit präzisen Regelungen, um Temperaturunterschreitungen und damit zum Beispiel Risiken in der Haltbarkeit zu verhindern.

Bei Neuprojekten beobachten wir derzeit zwei ineinander greifende Trends: Einige Kunden dimensionieren ihre Fermentationsanlagen oder Bioreaktoren bewusst größer, um einen Teil der neu gewonnenen Kapazitäten an Drittkunden in Lohnfertigung zu vergeben. Dabei müssen die Anlagen auch in der Lage sein, variabel auf die Anforderungen verschiedener Produkte einzugehen. Wir vereinen beide Anforderungen in einer Anlage und unterstützen den Betreiber dabei, die Linie für andere Prozesse zu öffnen. So kann eine kontinuierliche Auslastung der Anlagen sichergestellt werden.

Welche Rolle spielt die Automatisierung bei Ihren Anlagen?

Schütze: Automatisierung und Digitalisierung werden im Anlagenbau immer wichtiger. Früher gab es Spezialisten, die ihre Maschinen in- und auswendig kannten. In Zeiten des akuten Fachkräftemangels muss immer mehr Wissen vom Anlagenbediener auf die Anlage übertragen werden. Maschinen müssen intuitiver gestaltet werden, damit auch unerfahrene Mitarbeiter sie leicht und zuverlässig bedienen können. Vollautomatisierte Prozesse helfen dabei, Fehler zu minimieren. Übergeordnete Systeme für Rohstoff- und Rezeptmanagement leisten dazu einen wichtigen Beitrag. Darüber hinaus werden moderne ERP-Systeme angebunden, um auch die Prozess- und Produktionsplanung zu automatisieren. Wir haben es uns daher zur Aufgabe gemacht, die Anlagen mit so viel intelligenter Technik auszustatten, dass sie auch von ungelernten Kräften möglichst einfach bedient werden können.

Ein wichtiges Thema ist auch die Rückverfolgbarkeit. Durch die Erfassung unterschiedlicher Prozess- und Mediendaten können wir durchgängige Chargenrückverfolgbarkeit, Abweichungen von Rohstoffen oder Anlagenparametern erfassen und dokumentieren. Aber auch Bedienvorgänge können nachvollzogen werden. So kann man bei Problemen Rückschlüsse ziehen. Wir rüsten unsere Anlagen mit dem „Ruland Process Management System“, kurz RPMS, aus. Dabei handelt es sich um ein Server-basiertes System zur Rezepturverwaltung, Chargenrückverfolgung und Visualisierung.
Gemeinsam mit modernen Visualisierungssystemen ermöglicht das auch den Zugriff über mobile Endgeräte und zeigt Benachrichtigungen für die nächsten Bedienaktionen oder den Anlagenstatus von überall.

Stroick: Unsere Kunden können damit auch ihren Dokumentationspflichten nachkommen. Das fängt beim kleinen Bäcker an, der ganze Ordner mit Belegen füllen muss. Nicht auszudenken, wie groß der Aufwand bei industriellen Prozessen ohne automatische Datenerfassung und -verarbeitung wäre.

Schütze: Was früher nur die Pharmaindustrie betraf, gilt heute auch für die Lebensmittelbranche. Gerade kleine Unternehmen sind oft überfordert, alle Vorschriften umzusetzen. Hier helfen digitale Systeme wie RPMS.

Ist der Einsatz des digitalen Zwillings für Ruland ein Thema?

Schütze: Echte digitale Zwillinge setzen wir durch die ganz unterschiedlichen Typen von Anlagen und Produkten in unseren Systemen nicht ein. Aber wir arbeiten in der Planungsphase mit genauen 3D-Modellen. So können wir im Vorfeld mit dem Kunden, aber auch mit den Kollegen aus dem Service, durch die virtuellen Anlagen gehen. Auf diese Weise prüfen wir, ob sich die Anlagenmit den vorgegebenen, oftmals geringen Platzverhältnissen realisieren und dennoch gut bedienen lassen, ob die Bediener im Wartungsfall an alle Ventile herankommen oder ob sich Komponenten später ausbauen lassen.

Das Interview mit Jürgen Schütze (links) und Manfred Stroick (Mitte) fand am Ruland-Jubliäumstag in Neustadt statt

4. Hauptgang: Welche Neuheiten können die Besucher auf der Anuga Foodtec an Ihrem Stand erwarten?

Schütze: Da wir nicht wie beispielsweise Komponentenhersteller einzelne Produktneuheiten haben, sondern für jedes Projekt individuelle Anlagenlösungen entwickeln, stellen wir auf der diesjährigen Anuga Foodtec das Thema „Herstellung neuer veganer Produkte“ in den Mittelpunkt. Denn wie eingangs erwähnt: Pflanzliche und vegane Alternativen zu Milchprodukten liegen voll im Trend. Interessierten Besuchern aus der Lebensmittel- und Getränkeindustrie präsentieren wir unser umfassendes Prozess-Know-how vom Labor bis zur Großproduktion, einschließlich der vor- und nachgelagerten Prozesse. Darüber hinaus haben wir eine IBC-Kippstation als System zum Befüllen und Entleeren von mobilen Behältern entwickelt. Auch dies wird auf der Messe in Köln zu sehen sein.

5. Dessert: Ruland hat Ende Februar 2024 seinen 24. Geburtstag gefeiert. Herr Stroick, Sie sind von Anfang an dabei. Erzählen Sie doch mal, wie es losging bei Ruland.

Stroick: Ich war im Jahr 2000 Jungingenieur und wollte eigentlich nur zwei Jahre in der Pfalz bleiben. Wir sind mit sieben Leuten hier in das alte Verwaltungsgebäude eingezogen. Da saß damals noch ein anderes Unternehmen drin. Der Anfang war eine klassische Gründergeschichte: Mit einer guten Idee und viel Enthusiasmus, aber ziemlich hemdsärmelig sind wir damals gestartet. Unsere Arbeitsverträge passten auf zwei Seiten. Das erste Fließbild hat Jürgen Kutzer noch von Hand gezeichnet. Die erste Anlage haben wir im Wohnzimmer unseres damaligen Werkstattleiters geplant und den ersten aseptischen Steriltankknoten in seiner Garage gebaut.

Ursprünglich sollte ein externer Anlagenbauer unsere Anlagen fertigen. Leider hat das überhaupt nicht funktioniert und hätte fast das Aus für das Unternehmen bedeutet. So waren wir gezwungen, unsere Anlagen selbst zu bauen. In der Nachbarhalle hat uns der dort ansässige Flaschengroßhändler einen Teil abgetrennt, so dass wir dort mit Hilfe von Subunternehmern unsere eigene kleine Fertigung aufbauen konnten. Das hat gut funktioniert. Im Jahr 2003 haben wir ein Unternehmen in Vlotho übernommen und verfügen seitdem über eine eigene Montagetruppe und einen eigenen Maschinenpark  Im selben Jahr haben wir das erste richtige Großprojekt für eine Anlage in Russland bekommen. Das war eigentlich eine Nummer zu groß für uns. Aber es hat uns einen Wachstumsschub gegeben und wir konnten das Projekt erfolgreich stemmen. Der Anlagenbau wurde dafür professionell aufgebaut und seitdem geht es stetig bergauf. Natürlich haben wir auch Fehler gemacht, aber wir haben daraus gelernt. Bis heute ist es eine der größten Stärken von Ruland, dass wir trotz unserer Größe immer noch ganz pragmatisch die Ärmel hochkrempeln und Probleme zuerst lösen, um die Anlagen schnellstmöglich wieder zum Laufen zu bringen.

Diese Grundphilosophie hat hier immer geherrscht, und wir versuchen, sie am Leben zu erhalten. Das ist nicht einfach, denn das Unternehmen wächst. Aber wir Älteren wollen das den jüngeren Kollegen vermitteln und vorleben.

Und wie sieht das bei Ihnen aus, Herr Schütze? Seit wann sind Sie hier?

Schütze: Ich bin seit 2007 hier, das sind jetzt auch schon 17 Jahre. Privat bin ich technisch interessiert und habe ein großes Faible für Musik und Veranstaltungstechnik. So bin ich über einen Freund zu Ruland gekommen. Wir waren beide auf dem Weg zu einem Auftritt und ich hatte ihm erzählt, dass ich ein Praktikum im technischen Bereich suche. Er hat mir sein Unternehmen, also Ruland, empfohlen. Nach dem Praxissemester habe ich nur noch mein Studium beendet und bin seitdem hier. In dieser Zeit konnte ich viele spannende Projekte, auch im Ausland, realisieren und fühle mich bei Ruland nach wie vor sehr gut aufgehoben.

Herr Stroick und Herr Schütze, vielen Dank für die Einblicke und das interessante Gespräch!
 

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