Bier brauen ohne fossile Brennstoffe

Energieeinsparung von bis sieben Kilowattstunden pro Hektoliter

Kupferkessel

700.000 Liter Heizöl im Jahr verbrauchte die österreichische Brauerei Murau eGen bisher zur Bierproduktion. Seit dem Frühjahr 2014 ist der Bedarf an fossilen Brennstoffen auf Null gesetzt, die letzte Heizölrechnung ist Geschichte. Möglich wurde dies durch die komplette Umstellung auf Niedertemperatur-Prozesswärme in Form von Heißwasser.

Diese Wärme kommt aus einem von der Murauer Stadtwerke GmbH im Jahr 2011 neu gebauten Biomasse-Heizkraftwerk, das ausschließlich mit Holz aus der Region beheizt wird. Dass diese „Nahwärme“ auch im Sudhaus genutzt werden kann, dafür sorgte Krones mit dem Umbau auf das Equitherm System. Erstmals wird nun Bier komplett mit Fernwärme aus der Region gebraut und abgefüllt: Damit hat die Genossenschaftsbrauerei Murau zusammen mit den Murauer Stadtwerken und der Krones AG Geschichte in der Brauereitechnologie geschrieben.

Seit Ende April 2014 produziert die Genossenschaftsbrauerei mit einem Ausstoß von rund 280.000 Hektoliter ihr Bier zu 100 Prozent mit Wärme aus dem Biomasse-Heizkraftwerk der Murauer Stadtwerke GmbH. Das bedeutet, es werden in der Brauerei keine fossilen Brennstoffe mehr zur Bierherstellung verbrannt. Und: Es werden bisher nicht gekannte Energieeinsparmöglichkeiten im Brauprozess unter Einsatz von „Niedertemperatur-Prozesswärme“ eröffnet.

Wertschöpfung bleibt in der Region
Durch die energietechnische Sanierung der Brauerei entstehen Einsparungen von etwa 140.000 bis 190.000 Liter Heizöl pro Jahr. „Von den Einsparungen in Höhe von rund fünf bis sieben Kilowattstunden pro Hektoliter durch das Gesamtenergiekonzept entfällt alleine auf das Equitherm System eine Einsparung von bis zu zwei Kilowattstunden pro Hektoliter“, rechnet Braumeister Günter Kecht vor. „Künftig sind basierend auf diesem Konzept noch weitere Optimierungen möglich“, ist Geschäftsfüher Josef Rieberer überzeugt. „Aber vor allem, die Wertschöpfung bleibt hier in der Region, die Wege werden kurz gehalten. Wir werden durch den energetischen Umbau der Brauerei nicht unbedingt mehr Bier verkaufen, aber der Konsument wird es sehr wohlwollend zur Kenntnis nehmen, vor allem auch, weil wir authentisch sind.“

Meilenstein im Sudhaus: Niedertemperatur-Brauerei
Möglich wurde die Umstellung auf regionale, regenerativ erzeugte und CO2-neutrale Wärmeenergie insbesondere erst durch den Umbau des Sudhauses auf das Steinecker Equitherm System. Dabei wird die gesamte Energie, die zum Maischen benötigt wird, vom Würzekühlprozess bereitgestellt. Da die Brauerei den traditionellen Charakter des vorhandenen Sudhauses mit seinen Kupferhauben weiter erhalten wollte, integrierte Krones die hochmoderne Technik in die bestehenden Kupfergefäße. Das komplette Innenleben der Maischegefäße und der wesentliche Teil der Würzekocheinrichtung wurden auf aktuellste Steinecker Technologie umgerüstet.

Ebenso wurde der bestehende Würzekühler auf das neue System erweitert. Die zwei Maischebottichpfannen erhielten das Innenleben und den Unterbau von Shakesbeer Ecoplus in energiesparender Ausführung. Zugleich baute Krones für jede Maischepfanne einen neuen Vormaischer aus Kupfer. Die Würzepfanne wurde mit dem Stromboli Würzekochssystem mit Außenkocher um- und zusätzlich mit Wärmetauschern ausgerüstet. Zudem wird die Würze jetzt nicht über den Aussenkocher aufgeheizt, sondern durch einen Läuterwürzeerhitzer schon während des Umpumpens, wodurch die Würze bereits mit Kochtemperatur in die Pfanne gelangt.

Herzstück ist der Schicht-Energiespeicher mit einem Fassungsvermögen von 110.000 Litern. Hier wird zum einen die Wärme aus Equitherm eingelagert, zum anderen kann für die verschiedenen Wärmeabnehmer aus den unterschiedlichen Wärmeschichtebenen die jeweils benötigte Wärmeeneregie entnommen werden. „Der große Vorteil ist, dass wir dank des Pufferspeichers die Verbraucher genau mit den Temperaturen anfahren können, die dort benötigt werden. Früher haben wir alles mit 160 Grad Celsius heißem Dampf gemacht“, erklärt Technischer Leiter und Braumeister Günter Kecht. „Wir nutzen drei Bereiche: 115 Grad heißes Wasser benötigen wir im Sudhaus nur zum Kochen, 105 Grad für die Flaschenwaschmaschine und 95 Grad für den Rest.“

System als Energieschaukel
Mit Equitherm wurde ein System entwickelt, das Energie aus dem Brauprozess an geeigneter Stelle entzieht und diese an anderer Stelle wieder zuführt. Mit der so geschaffenen Energieschaukel können im Sudhaus sowohl bei Infusions- als auch bei Dekoktionsverfahren enorme Einsparungen von bis zu 30 Prozent an thermischer und 20 Prozent an elektrischer Energie erzielt werden – bei idealen Voraussetzung durchaus auch mehr. Mit dem System steht erstmals ein Konzept zur Verfügung, das eine ganzheitliche Optimierung des Wärmehaushalts in der Produktion gewährleistet und damit auch den im Sudhaus meist vorhandenen Warmwasserüberschuss verhindert. Es umfasst drei einzelne Prozesseinheiten, die miteinander verbunden sind:

Das Maischebottichsystem, bei dem der Wärmestrom durch ein Gegenstrom-Wärmetauscherprinzip erhöht wird. Das turbulente Strömungsbild der Maische an der Heizfläche verbessert den Wärmeübergang und dadurch die Heizrate. Der Schicht-Energiespeicher als Herzstück mit Schichtladelanze. Sie optimiert eine dichte- bzw. temperaturabhängige Nutzung des Energiespeichers. Entscheidend für die Funktion der Energieschaukel des EquiTherm Systems ist das Zusammenspiel von Maischegefäß und einer besonders verlustarmen Energierückgewinnung zwischen der Kochung und Kühlung.

Heißwasser statt Dampf im Sudhaus
In den meisten Brauereien wird nach aktuellem Stand der Technik Dampf mit ca. 130 bis 150 Grad Celsius eingesetzt – in der Brauerei Murau lag in der Vergangenheit die Dampftemperatur sogar bei 160 Grad Celsius. Durch seine diskontinuierliche Wärmeproduktion sowie hohe Kondensat- und Nachdampfverluste arbeitet ein Dampfkessel in vielen Brauereien relativ ineffizient. In Murau hingegen wird durch Einsatz des Equitherm Systems das Bier mit extrem wenig Energie und auf niedrigstem Temperaturniveau gebraut. Die höchste benötigte Temperatur in der „Niedertemperatur-Brauerei Murau“ ist nur noch für ein paar Minuten beim Ankochen der Würze erforderlich, hier kommt die Brauerei mit heißem Wasser von weniger als 115 Grad Celsius aus. Die Wärmeübertragung erfolgt in Murau mittels verlustarmer Wärmeübergabestation und einem eigens für die Spitzenlastabdeckung und Wärmerückgewinnung des Energiespeichers, der in diesem Fall die komplette Brauerei mit regenerativer und rekuperativer Wärme versorgt.

Die CO2-neutrale Brauerei rückt näher
Seit langem schon verfolgt die Brauerei Murau eine Unternehmensphilosophie, die das Thema Umweltbewusstsein ins Zentrum der Produktion stellt. Erklärtes Ziel ist es, eine CO2-neutrale Brauerei zu werden. Die Genossenschaftsbrauerei im obersteirischen Murau mit über 500-jähriger Tradition fühlt sich der Bioregion und der Energievision der Klimabündnisgemeinde Murau verpflichtet, die bis 2015 energieautark sein will. Auch der in der Brauerei benötigte elektrische Strom wird von den Stadtwerken mit Hilfe von Wasserkraftwerken erzeugt. Während die Stromversorgung im Bezirk Murau bereits vollständig aus der Region erfolgt, ist nun mit der wärmetechnischen Anbindung der Brauerei ein wesentlicher Schritt zur „Energievision Murau – Ein Bezirk auf dem Weg in die Energieunabhängigkeit!“ realisiert worden.

Die Brauerei wird nun zu 100 Prozent mit regenerativ erzeugtem elektrischem Strom und Biowärme versorgt. Der Weg, den die Brauerei unter dem Vorstandsobmann Johann Lassacher, dem Geschäftsführer Ing. Josef Rieberer und den Braumeistern Günter Kecht und Christoph Lippert-Pagany dafür gegangen ist, dürfte in der Braubranche einzigartig sein: Energie wird nämlich nicht nur durch die Systemumstellung der Wärmebereitstellung eingespart, sondern vor allem auch durch die Senkung der „Prozesswärme-Temperatur“.

Bier brauen ohne fossile Brennstoffe
Grundlage für das Projekt „Fernwärme aus Biomasse statt Heizöl“ war die Verlegung einer Fernwärmeleitung für die zukünftige Heißwasserversorgung im Brauereihof. Die innerbetrieblichen Umbauarbeiten auf ein dadurch notwendiges, energieeffizienteres Heißwassersystem wurden in mehreren Projektschritten umgesetzt. Dazu gehörten die Fernwärmeeinbindung mit Pufferspeicher sowie der Umbau des Dampfnetzes im Betrieb auf Heißwasserversorgung mit der Anbindung größerer Anlagen wie Flaschenreinigungsmaschine, Fass-Waschanlage, Containerwaschanlage, Kurzzeiterhitzer, Heißwasserversorgung und CIP-Anlagen. An diesen Verbrauchsmaschinen wurden alle Wärmetauscherflächen umgestellt. „Bei all dem sind wir keinerlei Hygiene-Kompromisse eingegangen“, betont Braumeister Günter Kecht. „Beispielsweise betreiben wir für die Fassterilisation oder Leitungssterilisation einen eigenen kleinen Dampfkessel, der mit Biogas aus der Abwasseranlage befeuert wird. Alternativ zur Biogasbefeuerung besitzt dieser Dampfkessel zur Sicherheit noch ein elektrisches Heizregister. Der bestehende Öl-Dampfkessel wurde außer Betrieb genommen und konserviert.

Sudhausumbau
Als große Herausforderung stellte sich der Umbau des Sudhauses der Brauerei Murau von Dampf auf Heißwasser dar. Denn die Stadtwerke konnten nur Heißwasser mit maximal 115 Grad Celsius zur Verfügung stellen. Wer aber könnte dies brautechnologisch umsetzen? Der zweite Braumeister der Brauerei Murau, Christoph Lippert-Pagany, gebürtig aus Freising, stellte einen Kontakt zum Werk Steinecker her und brachte damit den Stein ins Rollen. Das Heizwerk ist 2,2 Kilometer von der Brauerei entfernt. Eine isolierte Leitung von 150 Millimeter Durchmesser transportiert das Heißwasser. Voraussetzung für die Brauerei war, dass sich durch die Umstellung auf Heißwasser die Qualität in keinster Weise verändern durfte. Dies wird durch den Puffertank mit seinen 110 Kubikmetern Inhalt in Kombination mit der neuen Steinecker Technologie sichergestellt. Gleichzeitig sollte sich auch die gesamte Energieeffizienz der Brauerei verbessern.

Als Ausfallreserve für das Ortswärmenetz haben die Stadtwerke Murau das neue Nahwärmeheizwerk mit einem älteren, bestehenden Fernwärmeheizwerk gekoppelt, das vor einigen Jahren bereits von einer Gruppe von Landwirten gegründet worden war. Damit werden gegenseitige Synergien genutzt und eine Ausfallsicherheit für beide Netzbetreiber gewährleistet. Als Ausfallreserve für die Brauerei Murau und das Landeskrankenhaus wurden die bestehenden Ölfeuerungsanlagen in die Steuerung eingebunden und übernehmen automatisch die Wärmeversorgung im Falle eines Ausfalls der Nahwärmeversorgung. Die gesamte Anlage des Biomasse-Heizwerks Murau-Stolzalpe wird vollautomatisch betrieben.

Das Hackgut stammt aus Durchforstungsholz und Resten aus der Blockholzverarbeitung, die zu Holzschnitzeln verarbeitet wurden. Es wird ausschließlich von heimischen Forstbetrieben angeliefert und in die zwei dreizehn Meter hohen Silos entladen. Mittels warmer Luft kann es vorgetrocknet werden, bevor es automatisch zum Heizkessel befördert wird. Beide Silos verfügen über ein Fassungsvermögen von rund 4.000 Schüttraummetern. Die gesamte Ausbauleistung entspricht der Heizungsleistung von rund 1.000 Einfamilienhäusern.

Als nächster Schritt soll mit den Hackschnitzeln auch Strom erzeugt werden. Über eine Holzvergasungsanlage wird dann ein Gasmotor betrieben, der einen Generator antreibt. Die daraus anfallende Abwärme wird wiederum in  einen vorhandenen Pufferspeicher eingeleitet. Damit ist Murau dem erklärten Ziel, bis 2015 energieautark zu sein, auch im Bereich Wärme einen großen Schritt näher gekommen. Bei der Stromerzeugung ist die Region dank Wasserkraft ja bereits energieautark. Es wird um ca. 40 Prozent mehr an Ökostrom in der Region erzeugt, als diese verbraucht.

Energieschaukel zur Perfektion getrieben
„Diese Energieschaukel wurde von Krones zur Perfektion getrieben und es funktioniert so toll, dass jedes Technikerherz auflebt“, urteilt Stadtwerk-Direktor Kurt Woitischek. Er hat sich mit dem System intensiv auseinandergesetzt, denn er war der Auftraggeber für den Umbau in der Brauerei. Sein Deal: die Stadtwerke haben den Umbau vorfinanziert, dafür bezahlt die Brauerei für die nächsten 15 Jahre konstant den Betrag, den sie durchschnittlich in den vergangenen fünf Jahren für die Wärmeenergie aufgebracht hat. Eine win-win –Situation: Die Stadtwerke profitieren in dieser Zeit von den mindestens 30-prozentigen Einsparungen im Sudhaus durch das EquiTherm System sowie von einer durchgängigen Auslastung des Heizkraftwerks. Die Brauerei kann für die nächsten eineinhalb Jahrzehnte mit konstanten Energiekosten kalkulieren und danach mit niedrigeren Kosten rechnen und trägt auch kein Versorgungsrisiko.

Genossenschaftsbrauerei Murau
Die hier ansässige, 1495 erstmals erwähnte, Brauerei Murau eGen ist seit 1910 eine Genossenschaft von rund 500 Wirten und Kaufleuten. Sie ist damit die größte der insgesamt drei Genossenschaftsbrauereien Österreichs. Ihr besonderer Charme liegt darin, dass sie, so Geschäftsführer Josef Rieberer, „nicht Shareholder-Value-orientiert arbeiten muss, sondern alle Erträge wieder investieren kann.“ Die Ausschüttungen an die Genossenschaftler sind eher symbolischer Art und lagen beispielsweise 2013 im Durchschnitt pro Genossenschafter bei unter 100 Euro. Der Gedanke – viele Kleine können etwas Großes erreichen – hat sich bewährt.

Das Murauer Bier wird zu zwei Drittel im Einzelhandel oder Getränkefachgroßhandel und zu einem Drittel in der Gastronomie verkauft und direkt vertrieben mit über 100 eigenen Lkws in ganz Österreich außer Tirol und Vorarlberg. Der Mehrweganteil im Flaschensegment liegt zwar immer noch bei hohen 87 Prozent, bröckelt aber auf Grund der Nachfrage des Handels nach Einweglösungen. Der Umsatz beträgt rund 33 Millionen Euro, die Brauerei Murau beschäftigt 180 Mitarbeiter und ist damit zweitgrößter Arbeitgeber im Bezirk. Im Ranking der österreichischen Brauereien liegt die Brauerei Murau auf Platz fünf. Mit innovativen Ideen und mit neuen Produkten wie dem „Murauer Weissbier“ und der eigenen Colalimonade „DraCola“ geht die Brauerei Murau optimistisch in die Zukunft.