Business Lunch: Röntgeninspektion in der Lebensmittelherstellung

Interview mit Uwe Lügering von Mettler Toledo

Uwe Lügering, Mettler-Toledo PI Experte für Röntgeninspektionssysteme

Röntgeninspektionssysteme tragen weltweit zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit und Verbesserung der Qualitätskontrolle bei. Dennoch hegen manche Nahrungsmittelhersteller noch immer Vorbehalte gegenüber der Technologie. LMV-online.de sprach darüber mit Uwe Lügering von Mettler-Toledo. Der Produktinspektionsexperte für Röntgeninspektionssysteme gibt im Interview einen Überblick über die Einsatzmöglichkeiten und versucht, Bedenken über den Einsatz von Röntgenstrahlung in der Lebensmittelverarbeitung aus dem Weg zu räumen. Zudem beschreibt er die behördlichen Erfordernisse bei der Implementierung eines Röntgeninspektionssystems.

Mir ist wichtig, dass wir hier eine klare Trennung zwischen der Röntgenbehandlung von Lebensmitteln, die in der EU aus guten Gründen sehr streng und restriktiv gehandhabt wird, und dem Einsatz von Röntgentechnologie zur Fremdkörperdetektion und Qualitätskontrolle ziehen. Im Vergleich zum Einsatz von Röntgenstrahlen zur Behandlung von Lebensmitteln sprechen wir in der Produktinspektion von einer enorm geringeren Strahlendosis, die auf das Lebensmittel einwirkt. Ich denke, je mehr und je detaillierter dazu die Aufklärung, desto mehr lassen sich eventuelle Vorbehalte gegen eine Röntgeninspektion zur Fremdkörperdetektion und Qualitätskontrolle aus dem Weg räumen.

3. Zwischengang
LMV-online.de: Was verstehen Sie unter Aufklärung, wenn es um Röntgenstrahlung geht?

Wir dürfen nie vergessen, dass beim Thema Strahlung oft auch eine diffuse Angst vor einer nicht sichtbaren Gefahr mitschwingt. Solche Ängste und Befürchtungen gilt es ernst zu nehmen. Und ich glaube, diese können nur abgebaut werden, wenn man mit dem Thema offen und sachlich umgeht. Zahlen sind da hilfreich. Es geht im Kern um die Höhe der Strahlendosisrate sowie die Zeit, welche die Strahlung auf das Lebensmittelprodukt einwirkt, die Größenordnungen und welche Auswirkungen welche Strahlendosis haben kann. Eine Studie der WHO aus dem Jahr 1997 kam zum Ergebnis, dass Strahlendosen bis zu zehn Kilogray, also 10.000 Gray, keinen negativen Einfluss auf die Sicherheit oder den Nährwert von Lebensmitteln haben. Die US-amerikanische Food and Drug Administration FDA sieht eine Dosis unter einem Kilogray, also 1.000 Gray, nicht als Bestrahlung an. Beim Bestrahlen von frischem Hühnerfleisch, um Salmonellen abzutöten, wie es in den Vereinigten Staaten nicht ungewöhnlich ist, sprechen wir als Hausnummer von Strahlendosen bis zu 4,5 Gray. Die Produzenten bewegen sich also auch hier in der Range, die laut WHO-Studie Sicherheit und Nährwert des Lebensmittels nicht beeinträchtigt. Was mir aber viel wichtiger ist, ist zu betonen: Im Vergleich zum Einsatz von Röntgenstrahlen zur Behandlung von Lebensmitteln sprechen wir in der Produktinspektion, wie schon gesagt, von einem um einen vielfach niedrigeren Faktor an Strahlung, die auf das Lebensmittel einwirkt.

4. Hauptgang
LMV-online.de: Welcher Strahlendosis sind Lebensmittel im Rahmen der Fremdkörperdetektion typischerweise ausgesetzt?

Wir bewegen uns bei der Produktinspektion üblicherweise in einem Bereich bis zu maximal 200 Mikrogray, oder anders gesagt 200 Millionstel Gray. Noch einmal zur Erinnerung: Alles unter 1.000 Gray fällt nach FDA-Kriterien nicht unter Bestrahlung. Oder anders gesagt: Das Lebensmittel erfährt bei der Produktinspektion eine Strahlenexposition, die sich vielleicht bei einem Fünfmillionstel des Werts bewegt, ab dem diese von der FDA als Bestrahlung zu klassifizieren ist. Die Röntgeninspektionssysteme unterliegen strengen Auflagen, was deren Inbetriebnahme sowie die zulässigen Strahlenbelastungen für das Bedienpersonal betrifft. So beträgt die in Deutschland zulässige Höchstgrenze für die aus einem Röntgeninspektionssystem austretende Strahlung ein Mikrosievert pro Stunde. Um zum besseren Verständnis diesen Wert in Relation zu setzen: Im Durchschnitt ist jeder Mensch auf der Erde einer ionisierenden Strahlung aus natürlichen Quellen von etwa 2.400 Mikrosievert pro Jahr ausgesetzt. Bei Piloten und Kabinenpersonal beträgt die berufsbedingte zusätzliche jährliche Strahlenbelastung etwa 2.000 Mikrosievert. Vielleicht ist es wichtig, an dieser Stelle noch einmal anzumerken, dass moderne Röntgeninspektionssysteme sowohl im Food- wie auch im Pharmabereich keine direkten Strahlungsquellen wie Uran verwenden. Die Strahlung wird elektrisch erzeugt und kann daher an- und abgeschaltet werden. Sie unterscheidet sich damit von Strahlungsquellen wie etwa Uran, die auf natürliche Weise Strahlung in Form von Alpha-, Beta- oder Gammastrahlen emittieren und nur durch ein ordnungsgemäßes Containment sicher gemacht werden können.

5. Dessert:
LMV-online.de: Wie hoch sind die behördlichen Hürden bei der Implementierung eines Röntgeninspektionssystems?

Vor der Inbetriebnahme sind selbstverständlich alle sich aus der Strahlenschutzverordnung und dem Strahlenschutzgesetz ergebenden behördlichen Auflagen an die Arbeitssicherheit zu erfüllen. Hersteller, die über noch keine Erfahrungen mit Strahlenschutzauflagen gesammelt haben und hierfür nicht über unternehmensinternen Ressourcen verfügen, sollten darin aber keine unüberwindbare Hürde sehen. Kompetente und erfahrene Anbieter von Röntgeninspektionssystemen stehen hier ihren Kunden im Regelfall gerne zur Seite. So begleiten und beraten etwa wir bei Mettler-Toledo den Kunden bei der Einführung gerne über den gesamten Prozess der Implementierung - von den ersten Schritten der behördlichen Anmeldung über die Schulung des Bedienpersonals bis zur Inbetriebnahme des Systems in der Linie. Selbstverständlich unterstützen wir ihn auch im Qualifizierungsprozess, bei der Dokumentation sowie mit umfangreichen weiteren Service- und Maintenance-Leistungen im Anlagenbetrieb. Oder anders gesagt: Ich würde die Entscheidung für ein Röntgeninspektionssystem nicht davon abhängig machen, ob ich bereit bin, alle damit verbundenen administrativen Qualifikationen In-House aufzubauen. Hier kann es gerade für kleinere Hersteller sinnvoll sein, sich operativ der Vorteile eines Röntgeninspektionssystems in der Produktinspektion zu bedienen und administrativ auf Add-on-Leistungen ihres Lieferanten zuzugreifen.

Herr Lügering, wir bedanken uns für das interessante Gespräch!