Richard Clemens vom VDMA über Potenziale, Hürden und Partnerschaften
Interview: „Das Entwicklungspotenzial der Verpackungsindustrie in Afrika ist noch nicht ausgeschöpft"
Dienstag, 26. August 2025
| Redaktion
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Verpackungsindustrie: Richard Clemens, Geschäftsführer Fachverband Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen, VDMA: „Deutsche Technik genießt auf dem afrikanischen Kontinent hohes Ansehen.“
Richard Clemens, Geschäftsführer Fachverband Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen, VDMA: „Deutsche Technik genießt auf dem afrikanischen Kontinent hohes Ansehen.“, Bild: VDMA

Dynamisch wachsende Bevölkerung, steigende Lebensmittelproduktion und viel Interesse für moderne Technologien: Afrika gilt als spannender Wachstumsmarkt für die Verpackungsindustrie. Doch Chancen und Herausforderungen liegen auf dem Kontinent oft eng beieinander: Ein Mangel an Infrastruktur, Finanzierung oder auch Fachkräften bremst vielerorts den Fortschritt. Richard Clemens, Geschäftsführer Fachverband Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen, VDMA, erklärt in einem Interview, wo er aktuell die größten Potenziale sieht. Er beschreibt, welche Hürden deutsche Maschinenbauer meistern müssen und warum gute Partnerschaften in Afrika vor Ort der Schlüssel zum Erfolg sein können.

Herr Clemens, wie bewerten Sie aktuell das Entwicklungspotenzial der Verpackungsindustrie auf dem afrikanischen Kontinent, sowohl aus Sicht der lokalen Märkte als auch für deutsche Maschinenbauer?

Das Entwicklungspotenzial der Verpackungsindustrie in Afrika ist groß und zugleich sehr vielfältig. Wir sprechen hier von 54 unterschiedlichen Ländern und Märkten. In den vergangenen fünf Jahren sind die globalen Exporte von Verpackungsmaschinen in die Region bereits auf knapp 1,5 Milliarden Euro gestiegen. Doch das Potenzial ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Wichtige Treiber sind der Ausbau der lokalen Lebensmittelproduktion seit der Pandemie, die wachsende urbane Bevölkerung sowie eine zunehmend anspruchsvolle Mittelschicht.

Für deutsche Maschinenbauer ergeben sich daraus attraktive Chancen: Deutsche Technik genießt hohes Ansehen, die Nachfrage nach effizienten und nachhaltigen Lösungen ist hoch. Allerdings reicht „Made in Germany“ allein nicht mehr aus. Entscheidend ist, die Märkte vor Ort aktiv zu bearbeiten, sich auf unterschiedliche Rahmenbedingungen einzustellen und partnerschaftlich zu agieren.

Welche Herausforderungen sehen Sie für deutsche Unternehmen beim Markteintritt in Afrika, etwa in Bezug auf Infrastruktur, Regularien oder Fachkräfte? Wo liegen die größten Hürden für die Umsetzung moderner Verpackungslösungen in afrikanischen Ländern?

Die Herausforderungen sind je nach Land unterschiedlich, doch Fachkräftemangel und Finanzierung gehören zu den größten Hürden. Oft fehlt es an lokal geschultem Personal für Inbetriebnahme und Service, was zuverlässige Partnerschaften vor Ort unverzichtbar macht. Zudem erschweren oftmals hohe Zinssätze Investitionen der lokalen Unternehmen. Deshalb spielen deutsche Instrumente zur Exportfinanzierung eine entscheidende Rolle. In den letzten Jahren hat sich hier einiges verbessert: Seit Oktober 2023 gibt es zum Beispiel das Finanzierungskompetenzzentrum West- und Subsahara-Afrika in Côte d’Ivoire. Doch Verpackungsmaschinen fallen häufig durch das Raster, da die Angebote, etwa für sogenannte Small Tickets, erst ab einer Größenordnung von einer Million Euro für Banken interessant sind.

Nachhaltigkeit ist ein globales Thema. Wie präsent ist die Diskussion über recyclingfähige Materialien und Kreislaufwirtschaft in afrikanischen Märkten?

Noch stehen Rohstoffverfügbarkeit und Kosteneffizienz bei der Verpackungswahl im Vordergrund. Dennoch gewinnen nachhaltige Themen an Bedeutung, getrieben von internationalen Handelsbeziehungen, Exportanforderungen und wachsenden Umweltanforderungen der urbanen Bevölkerung.

Gleichzeitig sind die Strukturen vor Ort noch oft herausfordernd, Müll- und Recyclinginfrastrukturen vielerorts unzureichend. Dabei steigt das Interesse auch an innovativen Lösungen, etwa bei der Umstellung auf Papierverpackungen oder beim Einsatz moderner Recyclingtechnik. Im vergangenen Jahr durften wir eine Delegation aus zehn afrikanischen Ländern zum Thema Recyclingtechnik bei uns begrüßen.

Inwiefern sind Kooperationen, etwa durch Schulungen, Maschinen-Partnerschaften oder lokale Produktionsansätze, ein Schlüssel zum Marktzugang in Afrika?

Kooperationen spielen eine zentrale Rolle für nachhaltigen Marktzugang. Schulungen ermöglichen den Wissenstransfer, fördern die Qualifizierung des Personals und schaffen Vertrauen zwischen internationalen Unternehmen und lokalen Akteuren. Durch die enge Zusammenarbeit können Lösungen entstehen, die nicht nur den technischen Anforderungen genügen, sondern auch kulturellen und wirtschaftlichen Besonderheiten gerecht werden. Ein guter Service inklusive Schulungen ist essenziell. Damit können sich deutsche Unternehmen von anderen Anbietern abheben.

Was braucht es aus Ihrer Sicht, damit die Verpackungsindustrie in Afrika langfristig stabil und nachhaltig wachsen kann?

Das erfordert ein Zusammenspiel politischer, wirtschaftlicher und technologischer Faktoren. Politisch braucht es verlässliche Rahmenbedingungen und gezielte Förderprogramme, die Innovation und nachhaltige Entwicklung in den Mittelpunkt stellen. Wirtschaftlich stehen Investitionen in Infrastruktur, Logistik und Ausbildung im Fokus, um den Aufbau lokaler Wertschöpfungsketten zu ermöglichen und Marktchancen für alle zu schaffen. Technologisch gilt es, Maschinen und Anlagen zu entwickeln, die ressourcenschonend, wartungsarm und anpassungsfähig genug sind, um den vielfältigen Anforderungen der afrikanischen Märkte gerecht zu werden. Nur durch einen ganzheitlichen Ansatz können nachhaltige Produktionskreisläufe entstehen, die sowohl ökonomischen als auch ökologischen Standards entsprechen und so die Verpackungsindustrie dauerhaft stärken.

Hinweis der Redaktion

Vom 09. bis 12. Dezember 2025 findet in Kairo die Interpack Alliance, bestehend aus den Messen Pacprocess MEA und Food Africa, statt. Die Pacprocess MEA ist die internationale Fachmesse für Verarbeitung und Verpackung im Nahen Osten und Afrika. Sie widmet sich den Anforderungen der Lebensmittel-, Getränke-, Süßwaren-, Backwaren-, Pharma-, Kosmetik-, Non-Food- und Industriegüterbranche in dieser Region. Hier bringen die Veranstalter lokale und internationale Akteure der gesamten Wertschöpfungskette zusammen, um neue Technologien zu präsentieren und Partnerschaften zu knüpfen. Die Food Africa ist nach Angaben der Veranstalter die größte internationale Fachmesse des Kontinents für die Lebensmittel- und Agrarindustrie. Die Messe kombiniert ein neues Format aus Präsentation, Networking und Matchmaking. Sie fungiert als Plattform für den Zugang zum ägyptischen Megamarkt und zur boomenden Agrarindustrie Afrikas. Die nächste Interpack findet vom 07. bis 13. Mai 2026 in Düsseldorf statt.

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