
Der Maschinenbauer Gerhard Schubert gehört zu den Vorreitern in der Entwicklung von nachhaltigen ganzheitlichen Verpackungskonzepten. Neben dem Maschinen-Know-how setzt das Unternehmen dabei genauso erfolgreich auf die Optimierung der eingesetzten Materialien sowie der gesamten Produktionsprozesse. Eine der neuen umweltfreundlichen Lösungen aus dem Hause Schubert ist Dotlock. Michael Graf, Direktor von Schubert Consulting, berichtet im Interview über die Erfahrungen aus den ersten Pilotprojekten und weitere Potenziale dieser neuartige Technologie, die komplett ohne Leim bei Kartonverpackungen auskommt.
Die leimfreie Verpackung im Dotlock-Verfahren orientiert sich an der Clinchtechnik zum Fügen von Metallen. Dazu werden zwei oder mehrere Lagen aus Karton aufeinandergelegt. Dann werden sie von einer Seite mit Nadeln durchstochen, wodurch sich auf der anderen Seite ein Kragen bildet. Dieser wird auf den Karton gepresst und erzeugt ohne die Hilfe eines Zusatzwerkstoffs einen stabilen Kraft- und Formschluss. Die Lochgröße variiert. Je größer und dicker das Material, desto größer auch die Löcher. Abhängig von der Anzahl und Anordnung der Löcher wird dabei die gleiche Festigkeit wie bei einer Leimverbindung erreicht.
Herr Graf, Dotlock ist eine so vielversprechende neue Technologie, dass Schubert diese zum Patent angemeldet hat. Können Sie denn auch schon konkrete Daten und Fakten zum Einsparpotenzial durch die 100-prozentig leimfreien Kartonverpackungen nennen?
Wir sind aktuell dabei, die erhobenen Daten final zu validieren, aber ich kann gerne ein erstes Rechenbeispiel geben: Bei einem typischen Leimverbrauch von fünf Tonnen pro Jahr und Kosten von vier Euro pro Kilogramm ergibt sich allein beim Leim ein Einsparpotenzial von etwa 20.000 Euro jährlich. Hinzu kommen noch etwa 1.260 Euro Heizkosten zum Erwärmen des Leims.
Das ist schon eine stattliche Summe für nur eine einzige Maschine. In den kommenden drei Monaten erwarten wir zudem gesicherte Daten zu den positiven Auswirkungen auf den CO2-Footprint. Hier zeigen die ersten Hochrechnungen ebenfalls eine deutliche Verbesserung beim Einsatz der Dotlock-Technologie. Mal abgesehen davon, dass Dotlock-Verpackungen komplett über den Papierkreislauf recycelbar sind und sowohl Lagerplatz als auch -kosten für den Leim entfallen.
Sie setzen auch schon erste Pilotprojekte mit Kunden um. Wie bewährt sich die neue Technologie in realen Szenarien und bei welchen Anwendungen kommt Dotlock dort konkret zum Einsatz?
Erfreulicherweise zeigen mehrere Unternehmen ernsthaftes Interesse an einer gemeinsamen Entwicklung bis zur Serienreife von Dotlock. Bei vier Kunden sind wir gerade in sehr konkrete Muster- und Testphasen eingestiegen. Darunter ist ein Hersteller, der im Rahmen seines eigenen Nachhaltigkeitsengagements für die Markteinführung einer neuen Produktlinie mindestens 30 Prozent Kartonage einsparen will. Die leimfreie Dotlock-Tertiärverpackung soll darüber hinaus als Shelf-Ready-Pack eingesetzt werden. Valentin Köhler, Verpackungsentwickler bei Schubert, hat eine Lösung dafür erarbeitet, die selbst unsere anfänglichen Erwartungen übertroffen hat. Denn mit einer Materialersparnis von rund 40 Prozent konnten wir trotzdem weitere Werbefläche schaffen. Durch den bedingten Überstand an den Dotlock-Verbundstellen im Tray entsteht eine Art Banderole, ähnlich wie bei einem Erdbeerkörbchen. Der Kunde wird diese zusätzlich gewonnene Fläche nun für sein Markenbranding nutzen. Das passende vollautomatische Formatwerkzeug steht kurz vor der Fertigstellung und wird bereits für zwei weitere Kunden weiterentwickelt.
Welche weiteren Vorteile bietet die Dotlock-Technologie?
Neben zusätzlich gewonnener Marketingfläche lassen sich auch die Dots selbst als Designelement einsetzen, etwa als Logo. Dotlock kann darüber hinaus auch als manipulationssichere Öffnungsperforation eingesetzt werden. Das interessiert besonders Kunden aus der Food- und Pharmabranche. Einmal geöffnet ist eine Dotlock-Kartonverpackung nicht wieder verschließbar, so dass eine Manipulation direkt auffällt. So kann auch auf Etiketten als Originalitätsverschluss verzichtet werden. Die genannten Branchen dürfte auch die Tatsache ansprechen, dass durch die gelöcherten Kartonagen kühlkettenpflichtige Produkte wie etwa Joghurt deutlich leichter und effektiver kalt bleiben. Positiver Nebennutzen: Das bedeutet gleichzeitig weniger Stromkosten und reduziert an mehreren Stellen den CO2-Footprint des Produkts.
Was wir bei Schubert ebenfalls als Vorteil sehen, ist der Paradigmenwechsel, der mit der bewussten Entscheidung für eine Dotlock basierte Kartonverpackung einher geht. Wer sich für Dotlock entscheidet, muss sein gewohntes Markendesign für die Verpackungsoptik wegen der erforderlichen Geometrie und Anordnung der Dots grundlegend überdenken. Da tut sich vielleicht die ein oder andere etablierte Marke im Moment noch schwer mit. Wir sehen das aber als große Chance für Unternehmen, mit ihren Markenprodukten mutig und nachhaltig ganz weit vorn zu sein.
Das klingt auf den ersten Blick nach unbegrenzten Möglichkeiten. Gibt es bei der Dotlock-Technologie Ausschlusskriterien, oder anders gefragt, was kann Dotlock nicht?
Grundsätzlich könnte Dotlock bei den meisten Trays eingesetzt werden, die auch mit Heißleim funktionieren. Es gibt aber unter Kontaminations- und Hygienegesichtspunkten einige Limitierungen. Bei allen Produkten, die beispielsweise insektenanfällig sind, empfiehlt es sich auf Dotlock-Kartonagen zu verzichten. Auch äußere Kontaminationsrisiken durch Staub und andere Partikel könnten dagegensprechen.
Welche Pläne verfolgt Schubert mit der Dotlock-Technologie noch? Was kommt als nächstes?
Unser mittelfristiges Ziel ist die Standardisierung und vollautomatische Integration der Technologie in unser Maschinenprogramm. Dazu arbeiten wir mit Hochdruck an der Serienreife auf industriellem Produktionsniveau und treiben die Clusterung verschiedener Verpackungsvarianten und Subvarianten voran. Die entsprechenden Formatwerkzeuge sind in der finalen Entwicklungsphase. In Zusammenarbeit mit einem Joghurt- und einem Verpackungsmaterialhersteller testen wir in diesem Kontext auch Wellkarton als neues Verpackungsmaterial für die Joghurt-Steigen.
Wie passt das Dotlock-Verfahren zur Mission Blue? Wird es in Zukunft nur noch leimfreie Verpackungen von Schubert geben?
Um eins klarzustellen: Dotlock ist kein vollumfänglicher Ersatz für Kartonagen mit Leimverbindung. Wir wollen Dotlock dort einsetzen, wo es Sinn ergibt und nicht die Leimverpackung verdrängen. Das ist ganz im Sinne unserer Mission Blue: Über den Tellerrand hinausschauen und keine Einzellösungen anbieten oder priorisieren. Schubert bietet nachhaltige Systemlösungen an, die mit Kunden und Materialherstellern zusammen erarbeitet werden und den Dreiklang aus Maschine, Material und Know-how über die gesamte Supply Chain berücksichtigen. Aber natürlich freuen wir uns, mit Dotlock noch viele weitere Kunden zu begeistern.