Vier Gänge mit fünf Fragen
Business Lunch mit Ralf Schubert, Geschäftsführer beim Verpackungsmaschinenbauer Gerhard Schubert
Montag, 17. Februar 2025
| Redaktion
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Ralf Schubert, Geschäftsführer beim Verpackungsmaschinenbauer Gerhard Schubert
Ralf Schubert, Geschäftsführer beim Verpackungsmaschinenbauer Gerhard Schubert, Bild: LMV-online.de / Susanne Woggon

Die europäischen Maschinenbauer stecken in der Premiumfalle. Sie bauen hochwertige Anlagen für die auf Hochleistung getrimmte Lebensmittelverarbeitung. Doch der Konkurrenzdruck vor allem aus Asien ist enorm. Das zwingt die Unternehmen zu neuen Konzepten. Für Ralf Schubert, Geschäftsführer des Verpackungsmaschinenbauers Gerhard Schubert, liegt die Lösung in der Reduktion von Komplexität. Wie der Spagat zwischen Flexibilität und Reduktion gelingt, erfahren Sie im exklusiven Business-Lunch-Interview. Außerdem beschreibt der passionierte Software-Entwickler, welche Megatrends die Branche bestimmen.

1. Amuse-Gueule: Herr Schubert, was bewegt derzeit die Lebensmittelindustrie, also Ihre Kunden?

Die Branche wird aktuell von vielen Themen bestimmt. Dazu gehört die Nachhaltigkeit, denn es stehen viele Veränderungen an. Auch der Fachkräftemangel beschäftigt viele. Es ist ein zunehmendes Problem, wenn Stellen nicht mehr besetzt werden können. Hinzu kommt die zunehmende Produktvielfalt und die damit verbundene Unsicherheit über den zukünftigen Bedarf. Dafür brauchen die Unternehmen flexiblere Maschinen. Deshalb sollten wir uns schon heute Gedanken darüber machen, was die Technik in Zukunft leisten muss. Alles in allem nimmt die Komplexität zu. Das beschäftigt natürlich auch die Kunden, denn Prozesse und Maschinen müssen einfacher werden.

Die Anforderungen steigen. Vor 30 Jahren war noch alles viel einfacher. Der Produktionsdruck war nicht so hoch wie heute. Heutzutage laufen die Maschinen rund um die Uhr, am besten fehlerfrei.

2. Vorspeise: Welche Megatrends sehen Sie aktuell für die Lebensmittelindustrie? Spiegeln sich diese in den Anforderungen an neue Verpackungsmaschinen wider?

Ein Megatrend ist der bereits angesprochene Fachkräftemangel. In den Unternehmen der Lebensmittelindustrie fehlt es häufig an Fachkräften in den Bereichen Engineering und Projektmanagement. Auch für die Bedienung der Maschinen steht nicht genügend qualifiziertes Personal zur Verfügung. Deshalb müssen Maschinen einfacher zu bedienen sein, damit sie auch von ungelernten Arbeitskräften beherrscht werden können. Unsere Kunden verlangen von uns mehr Unterstützung beim Betrieb der Maschinen. Sie brauchen einen besseren Service, auch vor Ort. Im Gegensatz zu früher nimmt das immer mehr zu. Gleichzeitig haben wir als Maschinenbauer das Problem, dass wir nicht so viele Monteure finden, wie wir gerne hätten. Immer weniger Menschen sind bereit, beruflich viel zu reisen. Wir haben unseren Personalbestand zwar gut ausgebaut. Aber wir könnten noch mehr gebrauchen, zum Beispiel für die Produktionsbegleitung.

Ein weiterer Megatrend ist die Flexibilität, die zunehmende Produktvielfalt, auch im Zusammenhang mit nachhaltigen Verpackungen. Wenn man eine Papierfolie mit Kunststoff vergleicht, ist der Prozess viel komplexer und schwieriger. Die Formschultern und die Temperaturführung müssen besser funktionieren. Auch die Verfügbarkeit von Maschinen und Ersatzteilen ist sehr wichtig. Denken Sie nur an Lieferengpässe und lange Wartezeiten während der Corona-Krise. Das hat sich zum Glück gebessert. Aber diese negativen Erfahrungen haben etwas bewirkt. Die Kunden wünschen explizit kurze Lieferzeiten und eine hohe Teileverfügbarkeit.

Um die Komplexität in den Griff zu bekommen, haben wir beispielsweise eine 24-Stunden-Hotline mit acht Spezialisten eingerichtet und bieten unseren Kunden ein erweitertes Schulungsprogramm an. Bis 2027 wollen wir sieben neue Projektleiter einstellen, denn das Projektmanagement wird immer komplexer. Die Kunden schreiben immer umfangreichere Spezifikationen. Damit wollen sie die Komplexität beherrschen. Aber wenn jede Maschine anders aussieht, wird alles noch komplizierter. Deshalb muss die Komplexität deutlich reduziert und vor allem an der Basis eliminiert werden. Das geht aus meiner Sicht nur, wenn man die Maschinen von Grund auf verändert.

3. Zwischengang: Der Weltmarktanteil deutscher und italienischer Maschinenbauer ist in den letzten Jahren von zwei Dritteln auf unter 50 Prozent gefallen. Können Sie gegensteuern?

Das große Dilemma fast aller europäischen Maschinenbauer ist die Premiumfalle. Viele Maschinen werden für den High-End-Bereich mit höherer Leistung und größerer Flexibilität konstruiert. Im mittleren Segment sind die europäischen Hersteller nicht so stark. Hier könnten zukünftig chinesische Maschinenbauer um 60 Prozent günstigere Maschinen anbieten. Um wettbewerbsfähiger zu werden, müssen wir also Maschinen bauen, die 30, 40 Prozent günstiger sind als heute. Sonst werden wir aus dem mittleren Segment verdrängt und vor allem in das obere High-End gedrückt. Aber dieser Markt ist natürlich kleiner.

Interview mit Ralf Schubert über Teams
Das Interview wurde über Teams geführt

Natürlich entwickeln wir unsere Anlagen im Premium-Segment weiter. Auf der letzten Interpack haben wir einen ersten Einblick in die neuen TLM7-Maschinen mit verbesserter Funktionalität gegeben. Auch die Kosten sollen um zehn bis 20 Prozent sinken. Es gibt neue Gestelle, Konstruktionen, neue Motoren und Bussysteme. Die neue Technik macht das Ganze günstiger. Auf der Interpack 2026 wollen wir einen verkaufsfähigen TLM7-Flowpacker ausstellen.

4. Hauptgang: Ihr Familienunternehmen steht für technisch ausgefeilte und qualitativ hochwertige Maschinen. Macht Ihnen dieser Umstand das Leben leicht oder müssen Sie viel Überzeugungsarbeit leisten, um im globalen Wettbewerb zu bestehen?

Der Preis spielt für unsere Kunden zwar eine große Rolle. Für uns steht jedoch die Qualität der Maschinen im Vordergrund. Deshalb haben wir ein zukunftsweisendes Konzept für eine neue Maschinengeneration entwickelt. Es werden keine Billigmaschinen sein. Trotzdem können wir die Komplexität deutlich reduzieren, indem wir überflüssige Funktionen weglassen. Nach diesem Prinzip haben wir einen Stand-Alone-Aufrichter entwickelt und im Januar die erste Maschine ausgeliefert. Die Kosten konnten ohne Qualitätseinbußen deutlich gesenkt werden. Im Gegenteil: Die Maschine ist sehr gut zugänglich und reinigbar. Außerdem haben wir das Aggregat sehr schnell gemacht. Einbahnig werden 60 Schachteln pro Minute aufgerichtet. Dadurch können kleinere Werkzeuge eingesetzt werden, die sich viel einfacher einstellen lassen. Damit reduzieren wir nicht nur die Kosten, sondern auch die Komplexität. Außerdem sind die Werkzeuge zwischen den Maschinen austauschbar. Neben dem Stand-Alone-Aufrichter kommen weitere Standardzellen hinzu, die miteinander verbunden werden. 

Sehen Sie darin die Zukunft von Schubert oder wird es nach wie vor die Hochleistungsanlagen aus dem Premium-Segment geben?

Die TLM-Systeme bleiben unser Hauptprodukt. Die Standardmaschinen sind ein neuer, paralleler Zweig. Und die Erfahrungen, die wir mit den neuen Aufrichtern sammeln, kommen uns auch bei der Weiterentwicklung der TLM-Maschinen zugute. Unsere Steuerung kann beide Maschinentypen bedienen. Natürlich gibt es Synergien zwischen den beiden Baureihen. Aber der Fokus liegt ganz klar auf TLM. Ich kenne viele Applikationen, bei denen man mit der neuen Maschinengeneration keine Chance gegen das TLM-Niveau hätte, zum Beispiel bei beengten Platzverhältnissen oder aufgrund der hohen Anforderungen an Hochleistungsmaschinen. Es gibt aber auch Anwendungen, bei denen die neue Maschinengeneration klare Vorteile bietet. Vor allem im mittleren Segment, wo die Aufgaben einfacher werden.

5. Dessert: Zum Abschluss eine persönliche Frage: Wofür können Sie sich als Unternehmer und Privatperson begeistern?

Als gelernter Softwareentwickler programmiere ich gerne, sowohl für besondere Herausforderungen bei Schubert als auch privat. Ich suche mir immer Aufgaben, für die ich Programme schreiben kann. Das macht mir Spaß, ich versuche immer auf dem neuesten Stand zu sein und probiere gerne neue Tools aus. Zum Beispiel haben wir einen Konfigurator für Lightline-Pickerlinien entwickelt. Damit haben unsere Verkäufer ein Tool, in das sie Daten eingeben. Das sind Informationen wie die Anzahl der Produkte pro Minute, ihre Abmessungen und so weiter. Daraus erstellt das Programm eine Zeichnung der Maschine und man sieht, wie groß sie ist und was sie kostet. 

Das nächste Programm, das ich entwickle, soll mit Hilfe von KI entstehen. Dann möchte ich den Co-Pilot von Microsoft ausprobieren. Unsere Softwareentwickler nutzen die Methode Voice-to-Code bereits in der Entwicklung, das finde ich wirklich toll. Natürlich kann man die rasante Entwicklung der KI in den letzten zwei Jahren auch kritisch betrachten. Wie wird das in zehn oder zwanzig Jahren aussehen? Braucht man dann überhaupt noch Menschen oder hat die KI dann alles übernommen? Ich sehe das eher positiv, als Chance, das Leben einfacher zu machen. Aber Menschen wird man immer brauchen.

Herr Schubert, wir danken Ihnen für die Einblicke und das interessante Gespräch!

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