Weltweiter M&A-Markt kühlt sich ab

Weltkugel

Die Euro-Krise und die unsicheren Aussichten für die Weltwirtschaft treffen den Markt für Mergers and Acquisitions (M&A): Im ersten Halbjahr 2012 gab es zehn Prozent weniger Mehrheitsübernahmen als im Vorjahreszeitraum.

Der Wert der Transaktionen brach sogar um 26 Prozent auf 823 Milliarden US-Dollar ein. Das hat eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney ergeben, die auf einer Analyse des Weltmarkts für Übernahmen seit 2002 beruht. Ein Grund ist die Zurückhaltung der Firmen in den Industrieländern, die derzeit das Risiko scheuen. Doch auch das nachlassende Wirtschaftswachstum in vielen Schwellenländern schlägt sich auf dem M&A-Markt nieder.

Hohe Gewinne, niedrige Zinsen, große Cash-Reserven: Für viele Konzerne in den etablierten Wirtschaftsnationen sind die Finanzierungsmöglichkeiten für die Übernahme von Konkurrenten günstiger denn je. Doch nachdem die Zahl der Unternehmenstransaktionen weltweit in den vergangenen beiden Jahren noch um jeweils 14 Prozent gestiegen war und sich damit dem Rekordjahr 2007 näherte, ist der Markt im ersten Halbjahr 2012 regelrecht eingebrochen.

Der Rückgang bei Transaktionen zwischen Industrie- und Schwellenländern war besonders deutlich. Die Zahl der Übernahmen lag in diesem Bereich um zwölf Prozent unter dem Vorjahreswert. In den vergangenen zehn Jahren hatte dieses Segment jährlich im Schnitt um genau diese Rate zugelegt - und damit doppelt so stark wie der Gesamtmarkt.

Besonders Firmen aus den etablierten Wirtschaftsnationen fahren derzeit ihre M&A-Aktivitäten zurück: Die Zahl ihrer Transaktionen in den weniger entwickelten Staaten fiel um 14 Prozent. Zwar hielten sich im Gegenzug auch die Unternehmen aus den Schwellenländern zurück. Doch die Anzahl ihrer Firmenkäufe in den Industrieländern sank nur um vergleichsweise geringe sieben Prozent.

Damit verlieren die etablierten Volkswirtschaften im weltweiten M&A-Geschäft weiter an Boden. "Im ersten Halbjahr hat sich in einem schwachen Marktumfeld der Anteil der Transaktionen aus Schwellenländern erhöht", sagt Joachim von Hoyningen-Huene, Autor der Studie von A.T. Kearney. "Das bestätigt die steigende Bedeutung dieser Staaten auf dem Weltmarkt."

Diese Entwicklung zeigt sich auch an anderen Zahlen: So sind im vergangenen Jahr Unternehmen aus aufstrebenden Märkten erneut schneller als die Rivalen aus den westlichen Ländern gewachsen. Sie stellen der Global-Fortune-500 Liste zufolge bereits 93 der 500 größten Firmen der Welt.

Indien und China - Überflieger mit unsicheren Perspektiven
Die meisten Käufer aus den etablierten Ländern kamen im ersten Halbjahr aus den Vereinigten Staaten (21 %), Kanada (11 %) und Großbritannien (8 %). Unter den aufstrebenden Nationen führten China (28 %), Indien (15 %) und Malaysia (8 %) die Liste an. Diese drei Staaten waren für mehr als die Hälfte aller Firmenkäufe von Unternehmen aus aufstrebenden Ländern in Industrienationen verantwortlich. Besonders ins Visier nahmen die Käufer aus den Schwellenländern dabei die USA (21 %) und das Vereinigte Königreich (12 %).

Auch wenn die Konjunktur in wichtigen asiatischen Märkten an Fahrt verliert, wird ihre Bedeutung am weltweiten M&A-Geschäft weiter zunehmen. "Die Wachstumsraten in Indien und insbesondere China werden zwar dauerhaft deutlich schwächer sein als in den vergangenen zehn Jahren, auch aus demographischen Gründen", sagt Jürgen Rothenbücher, Partner von A.T. Kearney. "Dennoch wird das Wachstum dieser Länder deutlich über dem der etablierten Volkswirtschaften liegen."

Ausblick
A.T. Kearney geht davon aus, dass der Rückgang des M&A-Markts nur von kurzer Dauer sein wird. Grundsätzlich sind die Voraussetzungen für ein nachhaltiges und starkes Wachstum bei Transaktionen zwischen aufstrebenden und etablierten Volkswirtschaften weiterhin gegeben. "Mit einem Nachlassen der wirtschaftlichen Unsicherheit und anziehendem Reformeifer bei wichtigen Schwellenländern erwarten wir wieder eine zunehmende Akquisitionstätigkeit", sagt Studienautor von Hoyningen-Huene.

* Für diese Studie wurde die Welt aufgeteilt in etablierte Wirtschaftsnationen (Australien, Hongkong, Israel, Japan, Neuseeland, Nordamerika, Singapur, Südkorea, Taiwan und Westeuropa) und Entwicklungsländer bzw. aufstrebende Märkte in Übereinstimmung mit den Definitionen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds und auf der Grundlage des Indexes des menschlichen Entwicklungsstandes (Human Development Index).