Die Lebensmittelindustrie gerät weltweit immer stärker und dauerhaft unter Druck. Hauptursache dafür ist das anhaltende Bevölkerungswachstum. Bis zum Jahr 2050 werden vermutlich 9,7 Milliarden Menschen auf der Welt leben, was eine außerordentliche Herausforderung für die Lebensmittelversorgungskette darstellt. Ein weiterer Einflussfaktor auf diese Dynamik sind die neu entstehenden Mittelschichten in den Schwellenländern. Prognosen zufolge steigt die Kaufkraft der Mittelschicht bis 2030 um 29 Billionen US-Dollar bei einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 4 Prozent jährlich (Brookings Institute).
Die immer größer werdenden Mittelschichten vor allem in den aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens wünschen eine Ernährung nach westlichem Vorbild. Pilgrim's Pride, einer der größten amerikanischen Geflügelproduzenten, erwartet, dass die aufstrebende Mittelschicht der Entwicklungsländer zukünftig 77 Prozent der Nachfrage ausmacht. Insbesondere die Nachfrage nach Geflügelprodukten wird groß sein. Pilgrim's Pride rechnet bei der weltweiten Hühnerproduktion mit einer jährlichen Wachstumsrate von 1,2 Prozent.
Trotz der steigenden Nachfrage wird die Rentabilität aller Voraussicht nach durch andere Einflüsse unter Druck geraten. Die Verarbeiter sind dann gezwungen, effizienter zu arbeiten, ohne ihr Engagement für Nachhaltigkeit und ihren Platz in einer verantwortungsvollen Lebensmittelkette aufzugeben. Vor allem die Forderung des Handels nach nachhaltigen Erzeugungsmethoden bei minimalen Auswirkungen auf den Endverkaufspreis im Supermarkt ist ein wichtiger Faktor. Die Praktiken der intensiven Geflügelproduktion wurden in öffentlichkeitswirksamen Kampagnen von Organisationen wie Compassion in World Farming und von Prominenten wie TV-Koch Jamie Oliver angeprangert, die auf Tierschutz- und Umweltprobleme hinwiesen. Zu den Kritikpunkten zählte die Behandlung der Vögel, der Energieverbrauch, die Abfallerzeugung und die Verschmutzung von Luft, Boden und Wasser. Gleichzeitig wird die Branche immer strenger auf die Einhaltung der Standards für Lebensmittel- und Biosicherheit kontrolliert.
Die geflügelverarbeitende Industrie wird für die Lösung dieser Probleme einen Preis zahlen müssen. Beispielsweise verursacht die Verpflichtung, im Schlachtprozess verwendetes Wasser zu reinigen, eine Kostensteigerung, die durch mehr Effizienz an anderer Stelle ausgeglichen werden sollte, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Frage lautet: Wo können diese Effizienzgewinne erzielt werden? Das ist die Herausforderung der geflügelverarbeitenden Industrie. Die Produktverarbeitung ist für jeden Lebensmittelhersteller der Schlüssel zum Erfolg. Schließlich entscheidet die Effizienz, mit der ein Rohstoff in ein Endprodukt umgewandelt wird, über den Preis, der auf einem extrem umkämpften Markt erzielt werden kann. Bei der Verarbeitung eines Fleischprodukts entstehen möglicherweise zusätzliche Kosten und Hygienenachteile, weil Anfassen, Bewegen oder Lagern immer ein gewisses Risiko bergen. Unnötige Prozessschritte gehen zu Lasten des Ertrags und gefährden die Einhaltung der geltenden Lebensmittel- und Biosicherheitsstandards des Handels.
Wird ein Produkt aus der Prozesskette genommen, entstehen zusätzliche Kosten. Jede Minute Verzögerung kostet Lagerhaltung, Kühlung oder Arbeitszeit. Und natürlich wird die Frische der Ware beeinträchtigt. Angenommen, ein Mitarbeiter nimmt eine Charge Hähnchen aus einem Behälter, lädt sie auf einen Wagen und fährt sie in ein Kühlhaus, wo das Geflügel dann 24 Stunden lang aufbewahrt wird, bevor es zur Verarbeitungslinie gebracht wird. Das ist ein durchaus übliches Szenario und mindert die Margen vieler Geflügelverarbeiter. Warum frisches Fleisch zwischenlagern? Warum 24 Stunden mit der Verarbeitung einer Charge Hähnchen warten, wenn das in zwei Minuten erledigt werden kann? Und warum den Kunden Hühnerfleisch anbieten, das bereits tagelang gelagert wurde, bevor es das Verkaufsregal erreicht? All dies lässt sich vermeiden, wenn ein deutlich dynamischerer und produktiverer Verarbeitungsansatz verfolgt wird.
Das Prinzip der Inline-Verarbeitung ist aus der Lean Production abgeleitet und setzt auf ein Produkt, das immer in Bewegung ist. Im Falle der Geflügelverarbeitung meint der Inline-Ansatz den Prozess von der Zuführung und der Verwiegung bis zum Versand des verpackten Endprodukts. Früher war die Geflügelverarbeitung ein langsamer und umständlicher Prozess mit hohen Personalkosten und großem Platzbedarf. Heute gibt es dank des technischen Fortschritts viel mehr Möglichkeiten, Zeit, Geld und Platz zu sparen, ganz zu schweigen von der Qualitätsoptimierung der Endprodukte. Die Inline-Verarbeitung kombiniert automatisierte Technologien, verbessertes Anlagendesign und Ressourcenflexibilität.
Der saudi-arabische Hersteller Almarai konzipierte anlässlich des Launch einer Premiummarke eine 37.000 Vögel-pro-Stunde-Fabrik. Angesichts der wachsenden Nachfrage nach Festgewicht-Verpackungen mit Brustfilets, Keulen, Schenkeln, Beinen und Flügeln sowie Kombinationen davon wünschte Almarai komplett versiegelte Festgewicht-Produkte, die höchsten Ansprüchen an die Hygiene und die Präsentation genügen. Um diese Bedürfnisse erfüllen zu können, investierte das Unternehmen in Anlagen wie Mehrkopfwaagen, Kontrollwaagen, Traysealer, Dosier- und Sortieranlagen sowie Röntgenprüfsysteme und Metalldetektoren. Für die ganzen Vögel gibt es separate Linien zur Verpackung in Beutel und Schalen. Spezielle Filetlinien verpacken Hähnchenbrüste, die mit Röntgenprüfsystemen auf Knochensplitter kontrolliert werden. Auch für Schenkel, Beine, Flügel und Keulen sind jeweils Verpackungslinien bestimmt. Almarai verwertet das Huhn fast komplett, sogar die Innereien und Füße werden auf eigenen Linien verarbeitet.