Business Lunch über vorbeugenden Explosionsschutz im Cockpit des „CO.Pilot“ mit Rembe

Vier Gänge mit fünf Fragen: Alexander Kemmling im Interview

Alexander Kemmling von Rembe

Auf einem exklusiven Prelaunch hat Alexander Kemmling aus dem Rembe-Bereich Explosion Prevention Anfang September ein neues Detektionssystem zur Überwachung der Kohlenmonoxid (CO)-Konzentration in industriellen Trocknungsanlagen vorgestellt. Der „CO.Pilot“ erkennt frühzeitig thermische Reaktionen und verhindert so Glimmnester, Brände und Explosionen. Für mehr Prozess-Stabilität misst er zudem die Feuchtigkeitskonzentration. Im Gespräch mit LMV-online.de hat uns der „Preventioneer“ einen Einblick in das neue System gewährt, das rundum auf Sicherheit sowie Effizienz hinsichtlich Produktionskapazität, Energiebedarf, Zeit und Wartung entwickelt wurde. Wie große Pain Points von Kunden sich im wahrsten Sinne in Luft auflösen, erfahren Sie in unserem Business Lunch.

1. Amuse-Gueule
LMV-online.de: Rembe wird auf der Powtech 2022 ein neues, vorbeugendes Explosionsschutz-System vorstellen, das auch in der Lebensmittelproduktion zum Einsatz kommt. Wie entstehen hier eigentlich brenzlige Situationen?

Überall dort, wo Lebensmittel industrielle Trocknungsanlagen durchlaufen, gibt es ein erhöhtes Brand- und Explosionsrisiko. Das ist beispielsweise in der Herstellung von Milchpulver oder Kartoffelstärke der Fall. Durch den Entzug von Feuchtigkeit verändern sich dabei die Eigenschaften der zu verarbeitenden Stoffe. Wenn der Prozess dann nicht optimal läuft, kann es zu Anbackungen z.B. an den Sprühdüsen kommen. Diese Anbackungen können eine so genannte Maillard Reaktion durchlaufen. Bei diesem exothermen Vorgang kann die Wärme im Ernstfall nicht mehr abgeleitet werden, weil immer weitere Schichten von Material den heißen Reaktionsherd isolieren. Im schlimmsten Fall entzündet sich das Prozessmedium. Ein Glimmnest entsteht. Löst es sich ab oder wird es mechanisch beschädigt, fällt die potenzielle Zündquelle in zündfähiges Material oder gar in eine explosionsfähige Atmosphäre. Da der Prozess von außen nicht einsehbar ist, können so unbemerkt Brände entstehen oder Explosionen ausgelöst werden. Das ist das Risiko. Es geht darum, diese Situation frühzeitig zu erkennen, um solchen Ereignissen vorzubeugen.

2. Vorspeise
LMV-online.de: Was genau leistet das neue Sicherheitssystem für verbesserten Explosionsschutz?

Wir haben das Detektionssystem „CO.Pilot“ genannt und wie der Name es sagt: Hier wird die Kohlenmonoxid-Konzentration überwacht. Im Allgemeinen wird der Fokus oft auf die Sprühtrocknung gelegt. Bei uns werden aber auch weitere Trocknungsanlagen wie beispielsweise Ringtrockner eine Rolle spielen. Natürlich gab es auch schon vorher CO-Messungen, denn Kohlenmonoxid ist ein Produkt aus einer unvollständigen thermischen Zersetzung. Diese thermische Reaktion reicht vom einfachen Rösten bis hin zu einem Glimmnest. Es geht also darum, die im Prozess entstandene Kohlenmonoxid-Menge zu messen, jedoch mit sehr hohen Genauigkeit. Bei hohen Luftdurchsätzen ist die Verdünnung stärker und somit die messbare Konzentration sehr gering. Je genauer die Detektion, desto eher kann gewarnt werden.

Bei der Entwicklung des „CO.Pilot“ wollten wir die Präzision der Messung erhöhen. Bis dato angewandte Messverfahren waren zu ungenau. Darum haben wir die Art und Weise der Beprobung und Analyse optimiert. Wir setzen jetzt auf Laser-Absorptionsspektroskopie, die dann die Infrarotspektren sauber abtastet. Das System ist mit einer Datenbank ausgerüstet, welche die Infrarot-Fußabdrücke der jeweiligen Gase enthält. Die Messtechnik kann so Kohlenmonoxid von allen anderen Gasen und auch von Feuchtigkeit unterscheiden. Das ist wichtig, denn beide Elemente sind im Infrarotbereich sehr dicht beieinander. Herkömmliche Geräte können diese Bereiche nicht trennen. Das machte das Detektieren schwierig. Die präzise Messetechnik in Verbindung mit der Datenbank liefert uns nun exakte Werte im Bereich von 0 bis 1.000 ppm* mit ppb* Auflösung und das langzeitstabil und ohne Drift.

Die klare Unterscheidung zwischen Kohlenmonoxid und Feuchtigkeit macht eben diese messbar. So erhält der Kunde einen Mehrwert, denn über das Wissen von Feuchtigkeitsgehalt und CO-Konzentration jeder einzelnen Luftprobe lässt sich der Prozess stabiler betreiben.

3. Zwischengang
LMV-online.de: Sie haben Prozess-Stabilität erwähnt. Man könnte ja davon ausgehen, dass in einem geschlossenen Prozess alles immer gleichläuft. Welche Einflussfaktoren müssen denn im Verfahren berücksichtigt werden?

Einen großen Einfluss hat die von außen zugeführte Luft. Der Gehalt an Kohlenmonoxid ist nicht immer gleich. Da kann schon ein am Gebäude vorbeifahrender Lastwagen einen Unterschied machen. Wenn wir also wissen wollen, ob sich unbemerkt ein Brand in unserer Produktion entwickelt, muss die Differenz zwischen der Zuluft-Konzentration und der Abluft-Konzentration ermittelt werden. Dabei wird auch eingerechnet, wie schnell das Gas durch den Prozess strömt und wie stark die Verdünnung hierbei ist. An verschiedenen Punkten im Prozess sind Sonden zur Probenahme installiert: in der Zuluft, vor dem Trockner, vor dem Fließbett und in der Abluft. Die dort ermittelten Werte werden in Echtzeit im System analysiert und mit den in der Datenbank hinterlegten Konzentrationskurven abgeglichen. Aus dem ermittelten Delta lässt sich sehr frühzeitig eine Maillard Reaktion detektieren.

Und so banal es auch klingt: Selbst das Wetter hat einen großen Einfluss auf den Trocknungsprozess. Wenn es regnet, ist die Luft automatisch feuchter. Sie kann dann nicht mehr so viel zusätzliche Feuchtigkeit aufnehmen. So weist das Prozessmedium nach der Trocknung unterschiedliche Anteile an Restfeuchtigkeit auf. Der Hersteller hat also keine gleichbleibende Qualität. Anhand der Werte aus der integrierten Feuchtigkeitsmessung im „CO.Pilot“ lässt sich der Prozess nachjustieren. Weil die erfassten Messwerte für Kohlenmonoxid und Feuchtegrad absolut sind, kann der Produktionsprozess durch deren Übertragung ins Leitsystem an Außeneinflüsse angepasst werden. So wird insgesamt ein sicherer, langlebigerer Betrieb der Anlage ermöglicht. Der Prozess muss nicht routinemäßig gestoppt werden, um das Produkt zu prüfen und die Anlage zu reinigen. Die Überwachung erlaubt einen längeren Produktionsprozess, reduziert regelmäßige Stopps zur Überprüfung und minimiert das Gesamtrisiko für den Betrieb.

Das Detektionssystem „CO.Pilot“ wurde für die Anwendung in der chemischen Industrie, Lebensmittelproduktion, pharmazeutischen Industrie konzipiert, Bild: Rembe

4. Hauptgang
LMV-online.de: Das klingt nach hohen Effizienzgewinnen für den Anwender. Können Sie das noch ein wenig ausführen?

Das ganze System ist in jeder Hinsicht auf Effizienz getrimmt, sei es hinsichtlich Zeitersparnis, Energieeffizienz, Produktionsausbeute oder auch beim Wartungsaufwand. Im Vergleich zu anderen Systemen können wir in einer Minute eine Vielzahl von Probenahmezyklen fahren, welches die Repräsentanz der Überwachung deutlich erhöht. In Echtzeit erhalten wir Daten, die thermische Reaktionen im Prozess frühzeitig erkennen können. So lassen sich unverzüglich Gegenmaßnahmen einleiten, um einen Brand oder eine Explosion zu verhindern. Im Umkehrschluss bedeutet das: Betroffene Gaswege werden erneut geprüft und somit die Anzahl der Fehlalarme, Löschungen und Stillstände der Produktion reduziert. Genau diesen Pain Point wollten wir für unsere Kunden auflösen, um die Produktion sicherer und effizienter zu gestalten. Der Prozess ist nun insgesamt weniger störanfällig.

Die zuvor erwähnten, verlängerten Produktionszyklen bedeuten eine höhere Ausbeute. Das zahlt auf die Produktionskapazität ein. Eine geringere Anzahl an Prozess-Starts bedeuten außerdem Energieeinsparung. Aber auch das exakte Wissen des Feuchtigkeitsgrades hat einen positiven Einfluss. Denn man kann so die Variablen der Prozesssteuerung auf die derzeitige Situation anpassen, um die Qualität und Effizienz langfristig stabil zu halten.

Für den Einsatz in der Nahrungsmittelindustrie haben wir auf die Lebensmittelkonformität der eingesetzten Materialien geachtet. Die prozessberührenden Komponenten sind FDA-konform. Das hygienische Design der Probenahme-Sonden soll Produktanhaftungen vorbeugen. Komponenten können über Tri-Clamp-Verbindungen einfach ausgetauscht werden. Filterkartuschen sind leicht zugänglich und lassen sich schnell wechseln. Die Instandhaltung ist mit geringem Aufwand möglich. Unterstützend haben wir auf viele Komponenten im System verzichtet: Durch das optimierte Probenahmeverfahren benötigen wir für die eigentliche Analyse keine aufwendige Gasaufbereitung mehr. Unser System beinhaltet somit weniger Störkomponenten. Da der „CO.Pilot“ in die Sicherheitstechnik der Anlage eingreift, wird eine jährliche Wartung durch den Hersteller benötigt. Die eigentlichen Verschleißteile werden im System mit einer Laufzeitüberwachung verbunden, so dass man immer den aktuellen Zustand im Blick hat.

5. Dessert
LMV-online.de: Jetzt haben wir viel über das neue Detektionssystem gelernt. Verraten Sie uns auch noch etwas über den Menschen Alexander Kemmling?

Ein Projekt wie der „CO.Pilot“ ist lediglich im Team möglich. Das Ergebnis wird umso besser, wenn verschiedene Perspektiven vertreten sind, welche die Entwicklung auf optimalem Weg halten. Gerrit Fikse als „EX“perte der Sprühtrocknung und Marcus Kendik als „EX“perte der CO Detektion haben das Vorhaben erst möglich gemacht. Und das spiegelt unser aller Ansicht wider: Große Ziele erreicht man gemeinsam!

Bei uns steht nach wie vor der Mensch im Vordergrund. Das lässt sich ganz gut an unserer neuen Initiative ablesen, in der sich jeder Mitarbeiter bei Rembe mit vier Worten beschreiben soll. Ich habe mich zum einen für Human. Lifesaver entschieden. Mit unserer Arbeit sorgen wir gemeinsam jeden Tag dafür, dass die Gefahr für andere Menschen reduziert wird, indem wir mit unseren Produkten Brände und Explosionen verhindern. Mein drittes Wort lautet „Preventioneer“: Da ich stets vorbeugend denke und dabei auch die technische Brille aufsetze. Und das vierte Wort ist AL“Ex“ - mit einer Passion für explosive Prozesse. Sowohl privat als auch beruflich bin ich zwar sehr zurückhaltend, aber dennoch sehr familiär. Ich verbringe gerne Zeit mit vertrauten Menschen und versuche daher in allen Bereichen stets einen sehr persönlichen und ehrlichen Kontakt zu haben.

Herr Kemmling, wir danken Ihnen für die exklusive Vorschau auf Ihr neues Detektionssystem und das interessante Gespräch!

*Hinweis der Redaktion:
ppm = parts per million (Anzahl der Teile pro Million)
ppb = parts per billion (Anzahl der Teile pro Milliarde
 

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