Business Lunch: Skalierbare Automatisierungslösungen für die Lebensmittelproduktion

Vier Gänge mit fünf Fragen: Interview mit Dr. Michael Kornely von SEW-Eurodrive

Dr. Michael Kornely von SEW-Eurodrive

Rückrufaktionen von Lebensmitteln können das Vertrauen der Verbraucher nachhaltig beschädigen. Alle Anlagenteile in der Produktion müssen deshalb ihren Beitrag für sichere Nahrungsmittel leisten, auch Antriebe. SEW-Eurodrive hat neben der Sicherheit auch die Kosten und Produktivität der Anlagenbetreiber im Blick. In unserem Interview spricht Dr. Michael Kornely, Program Manager Mechatronics, über den Faktor Reinigbarkeit von Anlagen und deren Komponenten sowie über unterschiedliche Lösungsansätze, um Hygienic Design zu realisieren. Neben der Hardware zeigt er, wie eine Antriebssoftware Joghurt dazu bringt, nicht mehr über den Becherrand zu schwappen und erzählt abschließend, wie ein Produktrückruf seine Leidenschaft für den Karneval strapaziert hat.

1. Amuse-Gueule
LMV-online.de: Herr Dr. Kornely, seit Jahren gibt es immer wieder große Rückrufaktionen von Lebensmittelherstellern wegen Fremdkörpern oder Bakterienbefall. Welchen Beitrag kann SEW-Eurodrive als Hersteller von Automatisierungs- und Antriebstechnik leisten, um solche Ereignisse zu verhindern?

An die Lebensmittel- und Getränkeindustrie werden hohe Anforderungen bezüglich der Sauberkeit gestellt. In diesem Zusammenhang ist die Reinigbarkeit von Maschinen entscheidend. Auch die hier verbauten Antriebe müssen sich als Komponenten - wie der Rest der ganzen Anlage - gut reinigen lassen. Das lässt sich über ein spezielles Design mit glatten Oberflächen, aus Edelstahl, und zum Beispiel hygienischer Bauweise realisieren, um Schmutznester zu vermeiden. Je näher man im Produktionsprozess an das zu verarbeitende Nahrungsmittel herankommt, desto höher sind die hygienischen Ansprüche. Das spiegelt sich auch im Preis der Komponenten wider. Weil aber nicht in jedem Prozessschritt ein Edelstahlantrieb im Hygienic Design benötigt wird, bietet SEW-Eurodrive für alle Stufen im Produktionsprozess eine applikationsbezogene Lösung an. Diese passt zielgenau zu den jeweiligen Kundenbedürfnissen. Das erreichen wir über verschiedene Materialien, Oberflächenbeschichtungen oder besondere Gehäuseformen. Ein Beispiel sind unsere „DAS“-Motoren mit einer glatten Oberfläche. Diese Motoren gibt es mit Standardlack für Bereiche mit geringerer Reinigungstiefe oder mit „XCO“-Schutzschicht, welche besonders für wiederkehrende und intensive Reinigung geeignet sind. Natürlich sind die Schutzschichten FDA-zertifiziert, so dass Lebensmittel und Getränke bei Kontakt nicht kontaminiert werden.

Eine weitere Möglichkeit ist, Verunreinigungen von vorneherein zu vermeiden bzw. zu verhindern, anstatt diese aufwendig zu entfernen. Durch intelligente Software kann man zum Beispiel bei der Abfüllung von flüssigen Lebensmitteln wie Joghurt das Überschwappen im taktenden Betrieb vermeiden. Dieser sorgt für mehr Ruhe und reduziert das Überschwappen wesentlich. Der Anlagenbediener benötigt durch weniger Verschmutzung eine geringere Menge an Wasser und Reinigungsmitteln, zudem weniger Zeit für den Reinigungsprozess. Das ist ein dickes Plus für die Umwelt und schlägt sich natürlich auch positiv in den Betriebskosten nieder. Das alles bietet Mehrwerte, die sich am Schluss in Zahlen und Euro-Beträgen ausdrücken lassen. Mit der intelligenten Ansteuerung der Bewegung können kürzere Taktzeiten erzielt werden, was die Produktivität weiter steigert. Dafür kann unser Softwarebaustein „Movikit AntiSlosh“ genutzt werden.

2. Vorspeise
LMV-online.de: Hygienische Lösungen aus Edelstahl bieten den höchsten Schutz in der Herstellung. Sie haben Schutzschichten erwähnt, in welchem Bereich können diese eingesetzt werden?

Gerade dort, wo kein unmittelbarer Kontakt zu Lebensmitteln besteht, kann man normativ die Reinigungsfreundlichkeit und den Korrosionsschutz über Schutzschichten realisieren. So lassen sich kostengünstigere Lösungen für eine Anlage erzielen. Je größer der direkte Kontakt zwischen Produkt und Anlage ist, desto eher eignen sich kostenoptimierte Antriebe mit Schutzschichten. Um wieder unsere beispielhafte Joghurtproduktion zu bedienen: Sobald der Antrieb im Herstellungsprozess nicht mehr über dem Lebensmittel positioniert ist, lässt sich mit Schutzschichten und günstigeren Antrieben arbeiten. So kann eine Produktionslinie wettbewerbsfähig gestaltet werden, ohne Abstriche in der Reinigbarkeit der Anlage zu machen. Aufgrund der unterschiedlichen Arten von Reinigungen gibt es keine generelle Schutzschicht für alles. Deshalb bieten wir für verschiedene Bereiche und Herausforderungen spezifische Beschichtungslösungen an.

3. Zwischengang
LMV-online.de: Ein entscheidender Faktor beim Hygienic Design von Maschinen und Anlagen ist deren einfache Reinigung. Wie bringen Sie Ihren Antrieben dafür das „Schwimmen“ bei?

Unsere Antriebe müssen den Kontakt mit Wasser und Reinigungsmitteln schadlos überstehen. Für die Lebensmittelproduktion benötigt man Antriebe mit hohen IP-Schutzklassen für die Reinigung von Anlagen. Die Maschinen sind hier ständig Hochdruckreinigungen ausgesetzt. Deshalb muss man dem Antrieb besondere Eigenschaften mitgeben, damit er nicht „untergeht“. Über die entsprechende Konstruktion ertüchtigt man die Motoren für diese Anforderung. Die Dichtungen unserer Edelstahlantriebe sind so ausgelegt, dass sie direkter Hochdruckreinigung standhalten. Bei der Reinigung entstehen große Temperaturunterschiede. So wird zum Beispiel Fleisch bei vier Grad Celsius verpackt, aber diese werden Verpackungsanlagen mit 70 Grad Celsius heißem Wasser gereinigt. Unsere hygienischen Antriebe aus Edelstahl oder schutzbeschichtet bewältigen diese Herausforderung, ohne Wasser bei Kalt-Warm-Übergängen einzuziehen. Für diese besondere Herausforderung sind spezielle Ausgleichsmembranen entwickelt worden. Unsere Antriebe für den Lebensmittelbereich sind selbstverständlich Ecolab-zertifiziert und belegen somit die Stabilität gegenüber dem jeweiligen Reinigungsmittel.

4. Hauptgang
LMV-online.de: Verbraucher folgen stetig wechselnden Trends, was häufig in der Produktion kleinere Chargen erforderlich macht. Wie reagiert SEW-Eurodrive für seine Kunden auf diesen Trend?

Wir stellen nicht nur Antriebskomponenten her, sondern bieten unseren Kunden komplette ganzheitliche Automatisierungslösungen. Die Trends gehen zu modularen Maschinenkonzepten, welche sich auf der verschiedenen Anforderung der Lebensmittelproduzenten anpassen lassen. Entsprechend brauchen die OEMs flexible und anpassbare Antriebslösungen. SEW-Eurodrive bietet ein großes Portfolio mit den passenden Antrieben in skalierbaren Leistungsklassen und in unterschiedlichen mechanischen Designs. Um eine hohe Produktivität auch bei ständig wechselnden Konsument-Trends zu gewährleisten, müssen Maschinen so konstruiert werden. dass schnelle Produktwechsel möglich sind. Formate sollen zügig umgestellt, Füllmengen und Mischverhältnisse geändert werden können. Dies erfolgt nicht mehr manuell, sondern wird - für mehr Effizienz - über eine ausgefeilte Automatisierungstechnik realisiert. SEW bietet dafür alle Komponenten aus der Automatisierungspyramide an. Angefangen vom Getriebe bis zur Cloudanbindung. Damit können unsere Kunden Maschinen verwirklichen, die den Anforderungen der Lebensmittelindustrie gerecht werden.

5. Dessert:
Eine persönliche Frage zum Abschluss: Ihr berufliches Tagesgeschäft dreht sich um die hygienische Produktion von Lebensmitteln. Kreuzt das Themenumfeld manchmal auch Ihr Privatleben?

Lebensmittelhygiene ist ein Thema, das uns alle jeden Tag mehrmals tangiert. Jeder Mensch vertraut darauf, dass Lebensmittel sicher sind und in der Herstellung keine Fehler passieren. Als Karnevalist war ich einmal persönlich von einer Rückrufaktion betroffen. Vor einigen Jahren wurden von einem großen Hersteller Süßwaren zurückgerufen, weil Kunststoffsplitter aufgetaucht waren. Es gab also für den Straßenkarneval keine „Kamelle“. Ein Umzug ohne Wurfsüßigkeiten - da fehlt ein grundlegendes Element. Das war in der öffentlichen Wahrnehmung schon eine andere Hausnummer als ein Infozettel am Supermarkteingang. Das Beispiel zeigt, dass jeder Komponentenhersteller, der seine Produkte in eine Maschine und Anlage zur Herstellung von Lebensmitteln einbringt, eine hohe Verantwortung trägt und seinen Beitrag zu sicheren Lebensmitteln leisten muss.

Herr Dr. Kornely, wir danken Ihnen für dieses interessante Gespräch!

Hintergrund über Michael Kornely
Dr. Michael Kornely hat nach seiner Berufsausbildung zum Elektroniker für Automatisierungstechnik ein Studium der Elektrotechnik absolviert und anschließend im Bereich Werkstoffwissenschaften promoviert. Seit 2013 ist der 46-Jährige bei SEW-Eurodrive tätig. Zu Beginn hat er rund fünf Jahre als Applikations-Ingenieur für Servo-Technik gearbeitet. Im Laufe der Jahre hat er verschiedene Projekte und Produktentwicklungen, zum Beispiel eine Flughafen-Gepäckabfertigung vorangetrieben. Aktuell ist er im Geschäftsfeld Maschinenautomatisierung für das Thema Hygienic-Design-Lösungen verantwortlich. Dr. Michael Kornely ist verheiratet, hat drei Kinder und pflegt die Hobbys Schach, Boxen sowie Trompete spielen. Zudem ist er ein großer Freund des rheinischen Straßenkarnevals.
 

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