Business Lunch mit Marcel Kiessling von Gerhard Schubert

Vier Gänge mit fünf Fragen

Marcel Kiessling, Geschäftsführer Gerhard Schubert

Die Interpack sollte 2020 das Highlight für die Verpackungsbranche werden. Covid19 hat allen Großveranstaltungen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auch der Verpackungsautomatisierer Gerhard Schubert wollte die Messe für die Vorstellung eines neuen, kooperativen Roboters speziell für den Einsatz in der Verpackungsindustrie nutzen. Geschäftsführer Marcel Kiessling sprach mit lebensmittelverarbeitung-online.de über die aktuelle Entwicklung, den Cobot „Tog.519“, die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Lebensmittelindustrie und die wachsende Dynamik der wechselnden Verbraucherbedürfnisse.

Das zweite, aber überragende Thema hängt direkt am Konsumentenverhalten. Unsere Kunden wissen heute nicht, was der Verbraucher in einem halben Jahr erwartet. Die Unsicherheit nimmt durch die Dynamik der Bedürfnisse stetig zu. Hersteller versuchen, hier zu antizipieren und sehr schnell mit neuen Produkten und Verpackungen zu reagieren. Beispielsweise kleinere Verpackungsgrößen oder saisonale Produkte. Die Kunden investieren heute in Verpackungstechnologien, die auf solche Trends flexibel anpassbar sein müssen.

Nachhaltigkeit ist ein starkes Thema. Gefragt ist zum Beispiel der Wechsel von Kunststoffen auf Papierverpackungen. Schlauchbeutelverpackungen sollen von Mehrschicht- auf Monomaterialien oder Plastiktrays auf papierbasierte Kartontrays umgestellt werden, wohlbemerkt auf einer und derselben Anlage. Unternehmen wie Mondelez werden bis 2025 nur noch recyclebare Verpackungen einsetzen. Wenn Lebensmittelhersteller heute investieren, dann kaufen sie die Sicherheit mit, dass auch 2025 nachhaltige Verpackungen verarbeitet werden können. Den Trend zur Flexibilität können wir als Verpackungsautomatisierer gut erfüllen. Wir bauen modulare und skalierbare Maschinen, in denen austauschbare Werkzeuge schnell und einfach neue Verpackungsformate ermöglichen. Auch sind höhere Leistungen über Erweiterungen der Gestelle mit Hilfe zusätzlicher Roboter möglich.

Neben unseren Verpackungsanlagen unterstützen wir Kunden hinsichtlich Nachhaltigkeit auch mit Beratung für bessere Verpackungsmaterialien und -formen, um Produkte effizienter und volumenoptimierter zu verpacken. Zum Beispiel lässt sich bei der Anordnung über Roboter von Kaffeekapseln, die nebenbei erwähnt auch in nachhaltige Materialen abgefüllt werden können, enormes Volumen sparen. Die Schachtel kann mit weniger Material gestaltet werden. Der Hersteller spart auf diese Weise bis zu 20 Prozent Palettenvolumen. Für den Verbraucher sieht es am Ende noch besser aus. Wir wünschen uns hier viel mehr Zusammenarbeit zwischen den Lebensmittelverarbeitern, den Produzenten der Verpackungsmittel und uns Maschinenbauern, um die vielen ungenutzten Potentiale zu heben.

4. Hauptgang
LMV-online.de: Eigentlich sollten auf der Interpack im Mai 2020 die neuen Anlagen vorgestellt werden. Auch der Cobot sollte erstmals an die Öffentlichkeit. Corona hat uns allen hier einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Das stimmt, wir wollten auf der Interpack den Prototypen eines kooperativen Roboters, unseres Cobots, vorstellen. Wir finden, dass die heutigen Systeme für die Verpackungsindustrie einen entscheidenden Nachteil haben. Das ist die geringe Geschwindigkeit. Im industriellen Umfeld muss der Cobot zügiger arbeiten, mindestens zehnmal schneller als die heutigen Modelle. Unser System ist für leichtere Produkte geeignet. Hier geht es nicht um Palettier-Funktionen, sondern um schnelle Pick & Place Anwendungen ohne Käfig, in einer Umgebung, in der auch Menschen arbeiten. Das erfordert ein komplett neues Sicherheitskonzept bei diesem kollaborativen Roboter. Der Roboter braucht Augen über Optik und Kameras, die ihm ein Umgebungsbild vermitteln und zeigen, wo das Produkt liegt. Er benötigt auch künstliche Intelligenz, neuronale Netze, um entscheiden zu können, wo genau das Produkt liegt, um es dann richtig greifen zu können. Wir müssen dem Roboter das Sehen beibringen.

Das Thema wird bei Gerhard Schubert in einer Art Start-Up vorangetrieben, in dem sowohl langjährige Mitarbeiter als auch junge Hochschulabsolventen arbeiten. Derzeit gibt es vier Prototypen, die zum Testen zu Kunden gehen. Die Anwendungsbereiche liegen im Lebensmittelbereich, aber auch bei Kosmetik und Pharma, überall dort, wo leichte Produkte sehr schnell zuzuführen sind. Die Optimierung der Produktzuführung in die TLM-Anlagen könnte so ein Anwendungsfall sein. Auch im Kit-Assembling, bei dem verschiedene Produkte in einem Kit zusammengefasst werden sollen, oder bei der Garnierung von Produkten können hier hohe Stückzahlen verarbeitet werden. Also werden Anwendungen automatisiert, die heutzutage teilweise noch manuell erledigt werden. Der „Tog.519“ – so heißt das erste Modell – orientiert sich an den Anwendungen.

Für dieses Jahr ist eine Vorserie angedacht, weil das Interesse schon jetzt sehr groß ist. Eigentlich wollten wir einen Prototypen mit einer konkreten Kundenanwendung auf der Messe zeigen. Leider ist die Interpack ausgefallen. Für 2021 haben wir den Start der Serienplanung angedacht.

5. Dessert:
Eine persönliche Frage zu Abschluss: Sie sind gebürtiger Heilbronner, haben lange in Amerika und in der Schweiz gelebt und wohnen nun in Bayern, ganz in der Nähe von Crailsheim. Wie fühlt sich das für Sie an?

Mir macht die Arbeit hier richtig viel Spaß. Schubert ist ein gutes Unternehmen, und das liegt vor allem an unseren Mitarbeitern. Sie sind offen, ehrlich und direkt. Das gehört zu unserer Unternehmenskultur und diese weiterzuentwickeln liegt mir sehr. Auch fühle ich mich hier in der Gegend sehr wohl. Unser Wohnort liegt zwar in Bayern, aber ganz in der Nähe zu Crailsheim. Mit meiner Frau bin ich viel in der Natur unterwegs, das schätze ich sehr an dieser Gegend.

Vor Jahren habe ich lange in Atlanta gearbeitet, da ist das hier schon ein Kontrastprogramm zur 5-Millionen-Einwohnerstadt. Auch in der Schweiz haben wir eine Weile gelebt. Ich bin davon überzeugt, dass es überall spannende und schöne Dinge zu entdecken gibt. Ich koche und esse sehr gerne, und wir verbringen viel Zeit in Frankreich. Dort genieße ich die Lebensart. Da wir mit unseren Maschinen Lebensmittel verpacken, hat man da schon den einen oder anderen Berührungspunkt. Auch reise ich gerne, bin privat und beruflich viel unterwegs. Schon deshalb passen Job und private Leidenschaft gut zusammen. Corona macht uns 2020 einen dicken Strich durch die Rechnung. Es ging damit los, dass wir im Februar Maschinenabnahmen und geplante Trainings von chinesischen Kunden absagen mussten. Alle unsere Reiseaktivitäten wurden nahezu auf null heruntergefahren. Wollen wir hoffen, dass die weltweite Pandemie sich endlich rückläufig entwickelt und bald wieder Normalität zulässt.

Herr Kiessling, wir danken Ihnen für dieses interessante Gespräch!
 

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