Verpackungswirtschaft ehrt Prof. Dr. Klaus Töpfer

Dieter-Berndt-Preis für nachhaltiges Engagement im Dienst von Umwelt und Gesellschaft

Deutscher Verpackungskongress 2015

Auf dem 10. Deutschen Verpackungskongress in Berlin trafen sich am 19. März 2015 auf Einladung des Deutschen Verpackungsinstituts e.V. rund 120 Führungskräfte der Verpackungswirtschaft zum jährlichen Gipfeltreffen der Branche. Zum Auftakt der Veranstaltung ehrten die Teilnehmer den ehemaligen Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und heutigen Exekutivdirektor des IASS Institute for Advanced Sustainability Studies Potsdam, Prof. Dr. Klaus Töpfer, mit dem neu geschaffenen Dieter-Berndt-Preis für sein nachhaltiges Engagement im Dienst von Umwelt und Gesellschaft.

Im Anschluss diskutierten die Kongressteilnehmer die Bedeutung der Verpackung, die ähnlich wie Elektrizität und Infrastruktur zu den unverzichtbaren Grundlagen unserer Zivilisation gehört.

Dieter-Berndt-Preis für Prof. Dr. Klaus Töpfer
Prof. Dieter Berndt (1938-2013) war als Gründer, Hochschullehrer, Nachwuchsförderer und Impulsgeber eine der prägenden Figuren der deutschen Verpackungswirtschaft. Neben dem ersten Studiengang für Verpackungstechnik an der heutigen Beuth Hochschule für Technik Berlin und dem Verpackungsmuseum in Heidelberg gründete Prof. Berndt 1990 auch das Deutsche Verpackungsinstitut (dvi), das als Netzwerk der Verpackungswirtschaft 2015 sein 25jähriges Jubiläum feiert.

In ihrer Laudatio würdigten Thomas Reiner, Vorstandsvorsitzender des dvi, und der Fernsehmoderator und Journalist Normen Odenthal das nachhaltige Wirken von Prof. Dr. Klaus Töpfer, der 1988 mit der „Verordnung über die Rücknahme und Pfanderhebung von Getränkeverpackungen aus Kunststoffen“ ein Gesetz schuf, das den Begriff der „Produktverantwortung“ etablierte und zum Türöffner für aktive Ressourcen- und Recyclingpolitik wurde. „Es war ein „point of no return“, für den Sie damals nicht nur Applaus erhielten, der aber als echte Pionierleistung einen Weg öffnete, der bis heute alternativlos ist.“, so Odenthal.

Verpackung hat Vorbildfunktion
Am 12. Juni 1991 wurden dann die 14 Paragrafen der „Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen“ vom Deutschen Bundestag verabschiedet. Die Verantwortung für die Entsorgung von Verpackungen wurde durch das Gesetzt in die Hände von Herstellern und Vertreibern gelegt. Thomas Reiner verwies in diesem Zusammenhang auf den jüngst verabschiedeten Gesetzentwurf der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks für eine Reform des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes. „Die Verpackung übernimmt sehr oft die Funktion eines Leuchtturms, gerade auch in Umweltfragen.

Obwohl sie nur rund 1% des gesamten CO2-Fußabdrucks und nur rund 4% des deutschen Abfalls ausmacht, wird sie bevorzugt wahrgenommen und diskutiert, was daran liegen mag, dass sie jeder Bürger jeden Tag vielfach in den Händen hält und benutzt.“ 1994 folgte das „Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen“, dass zusammen mit der EG-Verpackungsrichtlinie von 1994, deren Vorbereitung ebenfalls noch in die Amtszeit von Prof. Töpfer fiel, den Grundstein für eine Kreislaufwirtschaft legte.

In seiner Dankesrede ging Prof. Töpfer auf die Situation vor 25 Jahren ein, bevor er einen Ausblick auf die anstehenden Aufgaben gab, die angesichts einer Welt mit 9 Milliarden Menschen mit unveränderter Dringlichkeit vor uns liegen. „Nur das Erinnern ist fruchtbar, das daran erinnert, was noch zu tun ist, zitierte das Mitglied der „Earth Hall of Fame“ von Kyoto den Philosophen Ernst Bloch.

Gelber Sack gegen wachsende Müllberge
Prof. Töpfer zeigte sich gleichsam erfreut und überrascht, dass „Sie den ersten Dieter-Berndt-Preis an den gelben Sack verleihen. Hätte mir jemand vor 25 Jahren gesagt, ich würde als erster Preisträger just von der Verpackungswirtschaft geehrt, hätte ich ihn wegen nachgewiesener Gedankenschwäche untersuchen lassen.“ Töpfer erinnerte an die Situation Anfang der 90er Jahre, als es „quasi unmöglich war, auf lokaler Ebene eine neue Deponie oder eine Müllverbrennungsanlage durchzusetzen. Aber die Müllberge wuchsen weiter an. Wir waren auf direktem Weg zu neapolitanischen Verhältnissen.“

Es musste also etwas geschehen. Und dieses „etwas“ war die Kreislaufwirtschaft. „Einer denkt es sich aus, einer produziert es, einer verkauft es, einer verbraucht es - und niemand denkt an das, was übrig bleibt. Aber so funktioniert das nicht.“, so Klaus Töpfer. „Natürlich stellte die Idee einer Kreislaufwirtschaft etablierte Markt- und Businessmodelle in Frage - und die Reaktion war entsprechend. Inzwischen ist die Kreislaufwirtschaft ein Exportschlager geworden. Sie schafft neue Marktsegmente und einen neuen Wettbewerb. Heute streiten sich alle um diese sogenannten „Abfälle“. Es ist ein neues Business Case geworden.“

Kreislaufwirtschaft, erneuerbare Rohstoffe und Sharing Economy: „Es wird noch vieles zu tun sein in einer Welt mit 9 Milliarden Menschen, die noch dazu nicht gleichmäßig verteilt sind.“, erinnerte Klaus Töpfer die Kongressteilnehmer und nahm sie in die Verantwortung: „Wer sonst als ein technologisch führendes Land mit wirtschaftlicher Stabilität sollte anfangen, Dinge zu verändern? Wir müssen Vorreiter sein!“

Verpackung als unverzichtbares Zivilisationsgut
Thomas Reiner nahm in seinem Vortrag den Faden auf: „Man kann Bedenken haben“, so der dvi-Vorstandsvorsitzende, „aber man muss das Bewusstsein wandeln. Bedenkenlos aus dem Vollem schöpfen ist keine Option.“ Reiner hob in der Folge die Bedeutung der Verpackung für unsere Gesellschaft hervor und forderte die Kongressteilnehmer auf, ihre Leistungen selbstbewusster nach außen zu tragen.

„Wir sollten nie vergessen, wofür Verpackungen da sind.“, so Reiner. „Sie bewahren Lebensmittel und garantiert unsere Versorgung mit dem, was wir für unser Leben täglich brauchen. Unsere Fortschritte in Sachen Hygiene, medizinische Versorgung, wachsende Lebenserwartung aber auch Wohlstand und Lebensfreude wären ohne die Verpackung nicht möglich. Verpackung ist Hightech und eines der hochentwickeltsten Industrieprodukte. Sie ist fundamental und wie Straßen und Strom ein unverzichtbarer Teil unserer Infrastruktur.“

Mit über 5.000 Unternehmen, die alleine in Deutschland an unseren Verpackungen arbeiten und damit rund 2% des Bruttoinlandsprodukts erarbeiten, stellt die Verpackungswirtschaft auch ökonomisch einen bedeuteten Faktor dar. Mehr als 400.000 Menschen arbeiten in einer Branche, deren Produkte bereits heute zu über 70% wiederverwertet werden. „Dabei übernimmt die Verpackung bei sinkendem Ressourcenverbrauch immer mehr Funktionen, sei es im Bereich Transport und Logistik, beim Schutz vor Produktfälschungen, als Informationsmedium für Verbraucher oder als flexibler, verantwortungsbewusster Dienstleister für eine Gesellschaft im demografischen Wandel.“ so Thomas Reiner. „Allein bei den eingesetzten Materialien belaufen sich die Einsparungen im Bereich Glasflaschen auf 40%, bei Dosen und PET-Flaschen sogar auf 50%.“

Der dvi-Vorstandsvorsitzende forderte die Branche auf, Nachhaltigkeit verstärkt ganzheitlich anzugehen, da sie noch zu oft als reines Kostenthema gesehen werde. Trotz unbestreitbarer Entwicklungen im Ressourcenverbrauch oder bei Innovationen in den Bereichen Restentleerbarkeit und umweltverträglicher Materialien müssten die Akteure jetzt verstärkt auch die Prozesse angehen und im sozialen Bereich unternehmerisch aktiv werden. „Lasst uns konstruktiv sein und Veränderungen proaktiv anstoßen.“, so Reiner. „Dinge aufschieben ist keine Lösung. Wir wollen es jetzt angehen!“

Kongressvorträge rundeten die Preisverleihung ab
Wie man Kundenwünsche in eine Form bringt, flexibel auf Anforderungen reagiert, Veränderungen langfristig denkt und durch Verpackung Werte schafft, zeigten exponierte Vertreter der Branche in den folgenden Kongressvorträgen auf.

Christian Traumann, CFO von Multivac Sepp Haggenmüller und Vorsitzender des VDMA Fachverbandes Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen thematisierte in seinem Vortrag „Kundenwünsche in Form gebracht - Flexibilität als Antwort“ globale Entwicklungen wie Urbanisierung, Bevölkerungswachstum und den Wunsch nach gesunder Nahrung. In der Logistik sieht Traumann einen gewichtigen Treiber für Entwicklungen, da sich hier große Kostenfaktoren verbergen.

Heike Van de Kerkhof, Aufsichtsratsvorsitzende von Dupont Deutschland, beschrieb in ihrem Vortrag „Change - Der Weg zum Erfolg“ eine „eine neue Denkweise, die Veränderungen nicht zur Seite schiebt, sondern in den Mittelpunkt unserer Strategie stellt.“ Sie stellte einen systematischen Ansatz für Strategieentwicklung, Planung und Ausführung vor, der es Unternehmen ermöglicht, angemessen zu reagieren und die positive Kraft des Wandels auszunutzen.

Thomas Haensch, Vice President Sales, Marketing & Innovation von Ball Packaging Europe, zeigte in seinem Vortrag „Raus aus der Preisfalle - Werte schaffen durch Verpackung“, am Beispiel der Getränkedose, dass die Verpackung ein wesentlicher Bestandteil des Gesamtprodukts darstellt, „da sie die Verbindung von Verlangen und tatsächlichem Kauf ist.“

Hubertus Bessau, Mitbegründer und CMO von mymuesli, erzählte in seinem Vortrag „Wie das Lieblingsmüsli in die Dose kam“ von einer Erfolgsgeschichte, bei der die Verpackung eine zentrale Rolle spielt: Von den Anfängen im Onlinehandel über die Präsenz in den Regalen der Supermärkte und der Ausweitung des Produktsortiments bis hin zur Eröffnung von inzwischen 18 Flagshipstores in Deutschland und Österreich.

Jan Bredack, Geschäftsführer der veganen Supermarktkette Veganz beschrieb in seinem Vortrag „Konsumenten der Zukunft - neue Geschäftsmodelle im Handel“, wie sich eine Idee von der Nische zur Massenbewegung entwickelt und welche Chancen sich dabei für den Handel ergeben.

Zukunftsforscher Erik Händeler zeigt zum Abschluss Wachstumsfaktoren auf
Zum Abschluss des Kongresses blickte der Buchautor und Zukunftsforscher Erik Händeler in die „Geschichte der Zukunft“. Händeler zeigte Gesundheit und Sozialverhalten als entscheidenden Wachstumsmotor einer Gesellschaft, die vom Umgang mit unstrukturierten Informationen geprägt wird. Wo die Produktionsfaktoren in einer Wissensgesellschaft global austauschbar würden, mache der Umgang mit Wissen und Wissensträgern den Unterschied.

Entscheidend sei dabei zum einen die soziale Kompetenz von Menschen, die in interdisziplinären Teams mit flachen Hierarchien miteinander arbeiten. Zum anderen gelte es, den Schwerpunkt insbesondere auf die seelische Gesundheit der Werktätigen zu legen, da Gesundheit in einer Wissensgesellschaft den knappsten Produktionsfaktor und die größte mangelnden Ressource darstelle.