Lebensmittelforum Bremerhaven zeigt kreative Wege für nachhaltige Ernährung

Mehr als 100 Teilnehmende vor Ort und digital

Gut besuchtes Lebensmittelforum 2021: Mehr als 100 Teilnehmende vor Ort und digital

„Wer drei vegane Gäste am Esstisch zu versorgen hat, der weiß, wie schnell sich der Lebensmittelmarkt verändert“, brachte Nils Schnorrenberger, Geschäftsführer der BIS-Wirtschaftsförderung, den aktuellen Status der Lebensmittelindustrie in seiner Begrüßung auf den Punkt. Die Ernährungsbranche ist im Umbruch. Pflanzliches Eiweiß als Fleisch- oder Fischersatz, Umwelt- und Klimaschutz, Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen - beim Lebensmittelforum Bremerhaven haben im September 2021 rund 100 Experten vor Ort und online aus ganz Deutschland die neuesten Trends und Perspektiven diskutiert und präsentiert. Bereits zum 6. Mal war damit das Lebensmittelforum Bremerhaven der Anlaufpunkt für führende Köpfe aus Geschäftsleitungen, von Verbraucherinitiativen, Forschungs-Instituten, Nachhaltigkeitsteams und Startups. Mit der einzigartigen Mischung aus Kreislaufwirtschaft, regionaler Lebensmittelproduktion und innovativen Ideen vom essbaren Löffel bis zur digitalen Produktinformation ist die Veranstaltung erneut ein zentraler Impulsgeber für die deutsche Lebensmittelbranche.

Wie dauerhaft eine solche Firmenphilosophie betrieben werden kann, zeigte Luisa Nikolay, Nachhaltigkeitsmanagerin beim Bremerhavener Tiefkühlkosthersteller Frosta. „Wir haben bereits 2011 den CO2-Fußabdruck für alle unsere Produkte berechnet und auf der Homepage veröffentlicht - um Transparenz für unsere Kunden und ihre Kaufentscheidung zu schaffen.“ Dazu komme das Frosta-Reinheitsgebot für gesunde Produkte ohne Geschmacksverstärker. Inzwischen könnten durch neue Technik in der Produktion sogar tagesaktuell die Herkunftsländer aller Zutaten auf die Verpackungen gedruckt werden. „Vom Kunststoffbeutel steigen wir jetzt nach und nach komplett auf Papierbeutel für die Tiefkühlgerichte um. Das stellt einen hohen Anspruch an unsere Entwickler für die Haltbarkeit des Materials bei Auftaufeuchte und Fettgehalt - aber wir entlasten die Umwelt dadurch ungemein“, so Luisa Nikoley.

Darum geht es auch Amelie Vermeer vom Startup Spoontainable. „Wir wollen alles Plastik ersetzen, das in der Gastronomie oder anderswo als Besteck eingesetzt wird“, erklärte die junge Firmengründerin in ihrem Vortrag. Angefangen hat die Firma mit essbaren Eislöffeln. „Wir verwenden dafür die Schalen von Kakaobohnen, die sonst weggeworfen werden. Die Eislöffel können verzehrt oder bedenkenlos in den Abfall geworfen werden“, so Amelie Vermeer. Weitere essbare Besteckarten sollen folgen. Auf Nachfrage kann das Unternehmen 600.000 Löffel in vier Stunden produzieren. Möglich ist das durch die Nutzung des Maschinenparks eines bekannten deutschen Tiefkühl-Backwarenherstellers. Inzwischen gibt es zehn Mitarbeiter und das StartUp liefert international in 15 Länder. Amelie Vermeers Botschaft zur nachhaltigen Lebensmittelproduktion: „Löffeln wir uns die Welt schöner!“ Zum Nutzen von Umwelt und Verbraucher etwas zu produzieren - darum geht es auch Nicolas Barthelmé von der Verbraucherinitiative „Du bist hier der Chef“. Die Idee hinter dem Namen: Faire Preise für Lebensmittel und deren Produzenten auf Basis von Online-Verbraucherabstimmungen. „Mit der Milch haben wir angefangen. Wie sollen die Kühe gehalten werden, welches Futter sollen sie bekommen, welche Verpackung die Milch? Transportkosten, nötiger Gewinn durch Molkerei und Bauern - alles ist in die Preisfindung eingeflossen“, erzählt Barthelmé.

Das Ergebnis: 1,45 Euro als fairer Preis für einen Liter Milch. Das Produkt wird angenommen. Unter anderem der Lebensmitteleinzelhändler Rewe und Alnatura haben die faire Milch ins Programm aufgenommen. „Wir haben bereits mehr als eine Million Liter verkauft und wollen zukünftig bundesweit agieren. Die Bereitschaft zur Unterstützung der Bauern ist groß“, betonte Nicolas Barthelmé. Als nächste Projekte sind faire Preise für Eier und Geflügel geplant. Das Lebensmittel nicht zum Wegwerfen sind, hat Alexander Holzknecht von Motato für sich entdeckt. Das Onlineportal vermarktet Waren, die direkt aus dem sogenannten „Overstock“ von Herstellern stammen - Überproduktion, Waren mit Fehlaufdruck, Verpackungsfehler, falscher Inhaltsmenge. „Wir wollen damit das große Wegschmeißen stoppen“, erklärte er auf der Bühne. Gegründet wurde das Unternehmen 2014 in Skandinavien. Seit 2020 ist Motato auch in Deutschland aktiv. „In nur einem Jahr haben wir 6.000 Tonnen an Lebensmitteln gerettet und arbeiten inzwischen bundesweit mit 164 Partnern zusammen“, sagte Alexander Holzknecht. „Wir haben in Deutschland 160.000 Kunden und 600.000 Pakete verschickt. Der Wunsch, die Lebensmittelverschwendung zu stoppen, ist da.“

„Wir haben heute an vielen Beispielen gesehen, dass man Ökonomie und Ökologie in der Lebensmittelbranche wunderbar in Einklang bringen kann“, fasste Moderator Fabio Ziemßen, bundesweiter Berater für Lebensmittel Startups und Vorstand des Verbandes für alternative Proteinquellen am Ende der Veranstaltung zusammen. „Damit wird die Umwelt und das Klima geschützt, soziale Verantwortung übernommen und die Transformation der Lebensmittelindustrie zu einer ressourcenschonenden Beispielbranche vorangebracht. Bremerhaven hat durch die ansässigen Unternehmen und die Infrastruktur der Forschung ideale Voraussetzungen dafür und kann eindeutig ein bundesweiter Vorreiter sein.“