DLG-Sensorik Award 2016: Preis der deutschen Sensorikwissenschaft geht an zwei Nachwuchswissenschaftler

Preisverleihung im Rahmen des DLG-Lebensmitteltags Sensorik 2016 in Kronberg im Taunus

Preisträger des DLG Sensorik Award 2016

Die DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) hat auch in diesem Jahr wieder ihren Preis für herausragende Arbeiten der deutschsprachigen Sensorikwissenschaft vergeben. Der „DLG-Sensorik Award“ geht an zwei Nachwuchswissenschaftler: Dr. Johanna Trautmann, Georg-August-Universität Göttingen und M.Sc. Jens Reineke, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Mit dem Sensorik Award, der jährlich vergeben wird, fördert die DLG außergewöhnliches, wissenschaftliches Engagement im Bereich der Lebensmittelsensorik. Neben der wissenschaftlichen Qualität besitzen die beiden ausgezeichneten Forschungsarbeiten einen hohen praktischen Nutzen für die Lebensmittelwirtschaft. Thematisch stehen dieses Jahr „Ebergeruch“ und „Weiterbildungsmanagement bei Bier“ im Fokus.

Die Vergabe des „DLG-Sensorik Awards“ erfolgte durch die DLG und ihren Ausschuss für Sensorik. Die Bewerber mussten ihre wissenschaftlichen Arbeiten über ein „Call-for-Papers-Verfahren“ einreichen. Aus allen Abstracts ermittelte der wissenschaftliche Beirat des DLG-Ausschusses Sensorik fünf Arbeiten, die im Rahmen des DLG-Lebensmitteltags in Kronberg vorgestellt wurden (LMV-online.de berichtete). Auf Basis dieser Präsentationen wählte die Experten-Jury die beiden Preisträger aus.

Dr. Johanna Trautmann, Georg-August-Universität Göttingen
Sensory Control of  Boar Taint (Sensorische Qualitätskontrolle des Ebergeruchs)
Ab 2019 ist die bisher gängige Praxis der betäubungslosen Kastration männlicher Ferkel in Deutschland gesetzlich verboten. Obwohl mit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden, wird das Verfahren angewendet, um nachteilige Geruchsabweichungen zu verhindern: Insbesondere im Fleisch bzw. Fett unkastrierter Eber können sich unerwünschte Substanzen, vor allem Skatol und Androstenon, anreichern, deren Geruch häufig als stall-/fäkalartig bzw. urin-/schweißartig oder blumig-süßlich beschrieben wird. Diese Geruchabweichler sicher zu identifizieren, ist eine der Herausforderungen bei der Jungebermast. Mit ihr beschäftigt sich die Dissertation von Dr. Trautmann. Die Göttinger Preisträgerin untersuchte vier sensorische Fragestellungen, die eine wichtige Voraussetzung zur erfolgreichen Etablierung sensorischer Qualitätskontrollen in der Praxis darstellen.

Studie 1 widmet sich der objektiven Charakterisierung der olfaktorischen Fähigkeiten von Testpersonen. Dabei wurden standardisierte Riechtests (weiter-)entwickelt und angewendet. Die Ergebnisse sind publiziert und das Testverfahren findet in der Praxis bereits breite Anwendung. Studie 2 bildet den Schwerpunkt des Gesamtprojektes. Dabei wurden über 1.000 Schlachttierkörper chemisch (GC/MS) analysiert sowie humansensorisch durch ein Panel aus zehn Prüfpersonen bewertet. Die Zusammenhänge zwischen dem Gehalt der geruchsaktiven Substanzen und der tatsächlichen Geruchsabweichung wurden statistisch modelliert. Die Ergebnisse zeigen zum einen, dass eine Interaktion zwischen den Geruchsstoffen berücksichtigt werden muss und bisherige Sortierstrategien mittels starrer Grenzwerte nicht optimal sind.

Studie 3 untersucht drei Verfahren zur Probenerhitzung (Mikrowelle, Lötkolben, Heißwasser), denn sie ist essentiell für die Freisetzung der geruchsaktiven Substanzen aus der Fettmatrix. Zur objektiven Beurteilung wurde eine Reihe von statistischen Kenngrößen herangezogen, u.a. die Sensitivität und Spezifität auf Basis chemischer Analysen. Im Ergebnis wird die Erhitzung mit dem Lötkolben als überlegen bewertet. Studie 4 widmet sich der Hypothese, dass Schlachtlärm wie allgemein angenommen die Leistungsfähigkeit sensorischer Prüfer herabsetzt - bislang wurde eine stille Testumgebung als Grundvoraussetzung betrachtet. Es wurden zwei trainierte Prüfergruppen (Schlachthof versus Universitäts-Panel) untersucht. Im Ergebnis hat, unabhängig von der Gewöhnung der Prüfer, konstanter Schlachtlärm (70 dB) keinen Einfluss auf standardisierte Geruchstests oder komplexe Qualitätskontrollen.

Die erkenntnisorientierte Anwendung eines breiten Spektrums sensorischer Methoden im Rahmen des Dissertationsvorhabens zeigt den hohen Stellenwert der Sensorik in den Agrarwissenschaften und leistet einen wichtigen Beitrag zu mehr Ressourceneffizienz, Tierschutz und Verbraucherakzeptanz.

M.Sc. Jens Reineke, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Konzeption einer Prüferausbildung für die Produktkategorie „Bier“ in Form einer Sensorik-Lizenz – ausgerichtet auf die Bedürfnisse des Schweizer Biermarktes und seine Akteure
Ein von Regionalität und Individualität geprägter Wandel sorgt aktuell für Kreativität, Innovation und Vielfalt beim jahrtausendealten Kulturgetränk Bier. Daraus entstehen für alle Stufen der Wertschöpfungskette neue Herausforderungen, zu denen in besonderem Maße eine komplexere, sensorische Analyse und Prüfung zählen. Um das nötige Fachwissen bzw. die nötige Fachpraxis einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, erarbeitete DLG-Preisträger Reineke im Rahmen seiner Masterarbeit an der Fachstelle Sensorik der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften die Konzeption einer Prüferausbildung bzw. „Sensorik-Lizenz Bier“.

In Anlehnung an bereits bestehende Lizenzen für andere Lebens- und Genussmittel, handelt es sich dabei um ein vertiefendes, sensorisches Weiterbildungsangebot, das auf den Schweizer Biermarkt und seine Akteure zugeschnitten ist. Neben einer umfangreichen Literaturrecherche zum aktuellen Wissensstand um Bier-Sensorik sowie zu etablierten Schulungsmethoden, erfolgte zunächst eine Evaluation des sensorischen Weiterbildungsangebots für Bier im deutschsprachigen Raum. Um eine konsequente Praxisorientierung zu gewährleisten sowie eine Einschätzung zum Marktpotential des geplanten Angebotes treffen zu können, sind zudem Befragungen inkludiert. Diese richten sich an die wachsende Gruppe Schweizer Bier-Sommeliers, an einen repräsentativen Querschnitt von Schweizer Brauereien und an internationale Experten.

Das Kernergebnis der Arbeit bildet die Konzeption des Weiterbildungsangebotes, das neben den Schulungsinhalten sämtliche Aspekte, wie die zeitliche und methodische Strukturierung, umfasst. Weitere Ergebnisse sind ein institutseigenes Verkostungsschema für die sensorisch-deskriptive Analyse von Bier sowie neue, an aktuellen Entwicklungen orientierte, validierte Schulungsmethoden. Insbesondere im Hinblick auf die, durch Historie und Gegenwart geprägten, Bedürfnisse des Schweizer Biermarkts ist für die Sensorik-Lizenz ein überdurchschnittliches Marktpotential zu erwarten, was sowohl durch die Umfrageergebnisse als auch das Interesse des Schweizer Brauerei-Verbandes deutlich wird.

Die ausgezeichnete Masterarbeit zeigt, dass gerade bei einem sensorischen Weiterbildungskonzept Mensch und Markt inklusive regional individueller Erfordernisse in den Mittelpunkt gestellt werden müssen. Nur so kann es langfristig erfolgreich gelingen, eine „Sensorik-Lizenz Bier“ zu etablieren, die zugleich auch Ausgangspunkt für ein zukünftiges „Schweizer Bier Panel“ ist.

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